Strafakte.de

Ohne Verteidigung ein Fehlurteil?

Verfolgt man die Berichterstattung1 um den Prozess gegen Jugendpfarrer Lothar König, dessen Verfahren gestern mit einer Einstellung endete, kann man nur den Eindruck gewinnen: Er wäre sicher verurteilt worden, wenn seine Verteidiger nicht hart in der Sache für die Unschuld des Angeklagten gekämpft hätte. Nun mussten sie sich allerdings teilweise geschlagen geben.

Jugendpfarrer König als Landfriedensbrecher

Die Staatsanwaltschaft Dresden warf König schweren aufwieglerischen Landfriedensbruch gem. § 125a StGB, Nötigung und Strafvereitelung vor. Während einer Demonstration gegen Nazis und den anschließenden Krawalle in Dresden im Februar 2011 soll König zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben. Laut Staatsanwalt sei aus der Lautsprecheranlage auf dem Dach seines VW-Busses unter anderem von ihm gerufen worden: „Deckt die Bullen mit Steinen ein“. Zudem soll König versucht haben, ein Einsatzfahrzeug der Polizei von der Straße zu drängen. Im Verlauf des Vorfalls seien mehrere Steine auf Polizeiwagen geflogen. Verdächtigen soll der Jugendpfarrer in seinem Bus Unterschlupf gewährt haben.

Lothar König, Lothar, König, Pfarrer, Jugendpfarrer, Jena, Dresden, Prozess, Anklage

Lothar König kurz vor Beginn des Prozesses gegen ihn am Amtsgericht Dresden // Foto: DynaMoToR (CC BY-SA 3.0)

Im Kampf gegen die rechte Gesinnung in Jena

Pfarrer Lothar König ist kein angepasster, kein bequemer Pfarrer – er trägt einen Karl-Marx-Bart und dazu „Jesus-Latschen“. Im Jahr 2011 kennen den den heute 60-Jährigen fast nur Menschen, die in Jena zu Hause sind oder sich dem Kampf gegen Rechtsextremismus verschrieben haben. Ab 1986 engagierte er sich als Pfarrer in Merseburg mit seiner Jungen Gemeinde gegen die DDR-Staatsmacht und organisierte die dortigen Montagsdemos mit. Nach der Wende erlebte er mit, wie die rechte Szene in Jena wuchs, traf dabei auch die späteren, mutmaßlichen Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.

Das Verfahren vor dem Amtsgericht Dresden war unerbittlich, teilweise wutentbrannt geführt worden: Strafverteidiger Johannes Eisenberg lieferte sich schon vor Beginn des Prozesses das eine oder andere heftige „Gefecht“ mit der Staatsanwaltschaft und dem Vorsitzenden Richter, während der Hauptverhandlung stürmte er einmal derart zornig auf die Staatsanwältin zu, dass nicht wenige Zuschauer im Saal dachten, er werde sie gleich niederschlagen. Der Polizei warf er vor, das der Anlageschrift zugrunde liegende Videomaterials gleich einer „Fälscherwerkstatt“ so zusammengeschnitten zu haben, dass es König belaste. Weil niemand den Vorwurf entkräften konnte, musste die Hauptverhandlung ausgesetzt werden, damit das gesamte ungeschnittene Videomaterial ausgewertet werden konnte2.

Schon in der Hauptverhandlung konnte die Verteidigung ein Video präsentieren, das statt aus Polizeiquellen von einem Gegendemonstranten aufgenommen worden war und wesentlich gegen den Anklagepunkt der Nötigung sprach: König bremste seinen Transporter zum fraglichen Zeitpunkt zwar tatsächlich scharf ab und fuhr nach links auf den Polizeiwagen zu. Aber er tat das, weil ihm ein Fußgänger vor das Auto gelaufen war, den die Beamten nicht sehen konnten und den König ohne Ausweichen mit hoher Wahrscheinlichkeit überfahren hätte.

Jurisdiktion ist Menschenwerk, das fehlsam ist

Nach einer Stellungnahme der Verteidigung soll ein neues Gutachten des Landeskriminalamtes Brandenburg aus dem Rohmaterial der Videoaufnahmen der Polizei nun ergeben haben, dass König einige zentrale Sätze, die ihm in der Anklage als Aufruf zur Gewalt vorgeworfen wurden, gar nicht gesagt habe. Dies habe zu einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO geführt – auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden. Der Angeklagte akzeptierte die Einstellung und zahlt eine Geldauflage in Höhe von 3.000 Euro je zur Hälfte an die Justiz des Freistaates Sachsen und an den Evangelisch-Lutherischen Kirchenbezirk in Dresden-Mitte.

In einer Stellungnahme der Verteidigung heißt es dazu:

„Motiv für die Zustimmung des Angeklagten ist, daß er aufgrund christlicher Überzeugung nach der langen Phase des Haders und des Streits, unter der nach seiner Wahrnehmung nicht nur er gelitten hat, einen Beitrag zum Rechtsfrieden leisten will. Jurisdiktion ist Menschenwerk, das fehlsam ist. Der Angeklagte läßt sich bei seiner Entscheidung von seinem umfassenden seelsorgerischen Auftrag leiten, mit dem er sein gesamtes Leben verbindet. Mit diesem Auftrag ist ein versöhnlicher Abschluß eines für alle Beteiligten massiv belastenden Ereignisses (Verfahrens) besser zu vereinbaren als „Rechthaberei“, die in diesem Falle die Suche nach irdischem Recht-Behalten wäre (…)“

Das Verfahren habe den Anklagten sehr belastet und ihn in seinem Inneren auch hart getroffen. Nicht zuletzt kostet die aufwendige, aber notwendige Strafverteidigung auch eine Menge Geld: Schon während des Ermittlungsverfahrens und der ersten Hauptverhandlung habe seine Strafverteidigung mehr als 50.000 Euro gekostet. Für den bereits terminierten neuen Prozess wären mindestens 40.000 Euro hinzugekommen – zum größten Teil finanziert aus Spenden, berichtet Zeit online. Doch auch mit der besten Strafverteidigung wäre der Ausgang des Prozesses offen.

Die sich daraus ergebene Frage muss berechtigt sein: Wo wäre Pfarrer König heute ohne Rechtsanwalt oder mit einer Strafverteidigung gewesen, die zwar vielleicht günstiger, das Verfahren aber nicht derart kämpferisch angegangen wäre?

 

  1. Eine lesenswerte Zusammenfassung erhält man von Sebastian Haak bei ZEIT Online. []
  2. Es handelte sich um ca. 160 Stunden Videomaterial. []

8 Kommentare zu “Ohne Verteidigung ein Fehlurteil?

  1. 50.000 Euro???

    Mein Gott, wer soll denn das bezahlen?

    Da ist man ja finanziell ruiniert nach so einem Prozess.

    Da kann man ja besser 2 Jahre auf Bewährung kriegen und unverteidigt vor Gericht ziehen.

    • @Hans Olo: Hier wurden die aus Spenden finanziert – es war ein öffentlichkeitswirksamer Prozess. Wenn man das immer so planen könnte, dass am Ende eine Bewährungsstrafe herauskommt. Das kann man leider nicht immer.

  2. Das Bedauerliche an diesem Fall ist, dass es von Anfang an ein politischer Prozess war. Die Demonstration 2011 war von Anfang an höchst umstritten: Einerseits wegen staatlicher Handy-Überwachung, massiven Polizeieinsatzes gegen die Demonstranten (die eigentlich gegen eine Neonazi-Demo prostestierten). Andererseits wegen der öffentlichen Äußerungen verantwortlicher Politiker, die „Chaoten von Links und Rechts“ dafür verantwortlich machten, dass Dresden in die negativen Schlagzeilen kam.
    Die „Kavallerie des Rechtsstaats“, die Staatsanwaltschaft, verfolgte denn auch Gegendemonstranten mit unerbittlicher Härte. Irrtum ausgeschlossen. Da mussten Exempel statuiert werden. Ein kleiner Pfarrer, der seinen Schützlingen helfen wollte und da zwischen die Fronten kam, den traf es halt auch. Und einmal oben auf dem Baum, kommen sie zu oft dann nicht mehr herunter, die Herren Strafverfolger. Gut, dass sie sich hier eines Besseren besonnen haben – und gut, dass Lothar König nicht um jeden Preis Recht haben wollte.
    Letztlich war es wohl weniger die versierte Verteidigung von Jonny Eisenberg denn das große öffentliche Interesse, dass Lothar König half. Wie wäre der Kachelmann-Prozess wohl ausgegangen, wenn es sich nicht um einen Prominenten gehandelt hätte? Man mag es sich gar nicht ausmalen. Denn es wäre entweder nichts groß passiert – oder ein Fehlurteil gesprochen worden.

    • @Remission: Der Vergleich zum Kachelmann-Prozess ist von daher treffend, da es dort auch der grandiose Strafverteidiger Johann Schwenn war, der für einen Freispruch sorgte.

      Die Öffentlichkeit nützt nur bedingt, gerade wenn die Presse den Angeklagten sowieso schon verurteilt hat so wie bei Kachelmann.

  3. Vor dem Hintergrund dieser nominell mutmaßlichen Verfolgung Unschuldiger durch die sächsischen Behörden bedarf es wohl keiner weiteren Erörterung warum die Rechtsextremen sowie ihnen häufig zugerechnete Organisationen wie z.B. „Pegida“ sich in Dresden ungehindert ausbreiten können.

  4. Was ich nicht verstehe, ist daß König trotz Unschuld, falscher Beschuldigung lügender, „Beweis“material manipulativ zusammenschneidender Polizisten, und der ohnehin schon von ihm getragenen Belastung durch diese Farce auch noch zu einer Strafzahlung genötigt wurde.
    Wie wird das begründet? Mir drängt sich der Eindruck auf, StA und Richter wollten den Eindruck vermeiden, einen Unschuldigen verfolgt zu haben und drehten das daher so, daß sich König von einer imaginären „Schuld“ freikaufen soll.

    Außerdem ist mir schleierhaft, daß die Polizisten, die hier mittels ihrer Mittel einem Unschuldigen ein schweres Übel (bis zu 10 Jahre Knast!!!) zufügen wollten, keinerlei Konsequenzen zu tragen haben. In meinen Augen sind die für so eine Aufgabe mit ihren kriminellen, mafiösen Machenschaften untauglich (und bitte erzähle mir niemand, daß die „zufällig“ das entlastende Material tatsächlich noch nicht gesichtet, und das Video nicht vorsätzlich genau so zusammengeschnitten hatten).

    In meinen Augen hätte König eine Entschädigung verdient für diese 3jährige Tortur statt einer Strafzahlung, und die Polizisten eine Kohlenschippe in die Hand, und keinerlei Entscheidungsbefugnisse mehr, wegen Nicht-Eignung.

    Können Sie das mit der Strafzahlung erklären, Herr Laudon, und warum die Polizisten straffrei ausgehen? Ich verstehe es nicht.

Keine Kommentare zugelassen