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Die PR-Schlacht der Staatsanwaltschaft Hannover

Die Staatsanwaltschaft Hannover unter dem Leitenden Oberstaatsanwalt Jörg Fröhlich scheint eine eigene PR-Abteilung zu betreiben. Nicht nur im Wulff-Verfahren drängte die Staatsanwaltschaft mit übereifrigen Staatsanwälten in die Öffentlichkeit, auch im Fall Edathy überschreitet sie meines Erachtens die Grenzen dessen, was man von ihr als „objektivste Behörde der Welt“1 erwarten dürfte. Sollte die Behörde nicht auch über Entlastendes berichtet, statt einseitig die vermeintlichen Verfehlungen von Edathy aufzuzählen? Für die Öffentlichkeit interessant wäre etwa die Information aus den Ermittlungsakten gewesen, dass bereits drei Behörden, allesamt mit ihren Spezialabteilungen für die Bewertung von Kinderpornografie festgestellt hatten, dass die aufgefundenen Bilder nicht strafrechtlich relevant seien.

Die einstündige Pressekonferenz, die die Staatsanwaltschaft Hannover am 14. Februar 2013 abhielt, schoss weit über das Ziel hinaus und ließ interessierte Zuschauer fassungslos zurück. In unverständlicher Weise redete man „um den heißen Brei herum“ und versuchte immer neue Begründungen zu finden, warum man sich in einem Grenz- bzw. Graubereich befinde.


Wie Udo Vetter richtig anführt, wären fünf Sätze ausreichend gewesen, die Öffentlichkeit ausreichend zu informieren und zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen:

Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass gegen Sebastian Edathy ermittelt wird. In diesem Rahmen wurden unter anderem seine Wohn- und Arbeitsräume durchsucht. Die umfangreichen Maßnahmen haben bislang keine Belege für ein strafbares Verhalten des Beschuldigten zu Tage gebracht. Angesichts dessen gebietet es die Unschuldsvermutung momentan, den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten Vorrang vor dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einräumen. Sollte sich dies ändern, werden wir Sie gegebenenfalls informieren.

Jeder weitere Satz verbot sich deshalb, weil unter Wahrung der Unschuldsvermutung bereits keine Straftat vorliegt über die man berichten konnte. Wenn ein Staatsanwalt allerdings wider besseren Wissens behauptet, man müsse die Vorwürfe erst noch prüfen, obwohl drei Behörden bereits zum Ergebnis der Straflosigkeit gekommen sind, kann man nur den Eindruck gewinnen, dass die Öffentlichkeit durch die Pressekonferenz bewusst getäuscht werden sollte. So sieht es jedenfalls der Rechtsanwalt Christian Noll, der Edathy vertritt und nun eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt sowie den Generalstaatsanwalt beim Justizministerium des Landes Niedersachsen eingereicht hat. Zur Begründung benutzte er folgenden Satz, der in der Tat sehr treffend ist:

Was legal ist, ist immer auch privat.

Das Strafrecht ist kein Moralrecht. Man mag von diesen Bildern und Videos also halten was man will – es geht hier ebenso wenig um Fragen von Geschmack oder Geschmacklosigkeit. Wo wir aber bei Grenz- bzw. Graubereichen sind: Was die Staatsanwaltschaft Hannover da betreibt, ist schon hart an der Grenze der Verfolgung Unschuldiger im Sinne des § 344 StGB. Das sollten sie bei ihrem Ermittlungseifer auch einmal ermitteln. Sonst könnte in naher Zukunft eine Schlacht der Staatsanwaltschaft verloren gehen: Die um das Recht des strafrechtlich Unschuldigen.

 

  1. so bezeichnet von Generalstaatsanwalt am Kammergericht Hugo Isenbiel im Oktober 1910 []

11 Kommentare zu “Die PR-Schlacht der Staatsanwaltschaft Hannover

  1. Ja. Ab einer gewissen Prominenz gibt es eine besondere Unschuldsvermutung. Natürlich muss eine Staatsanwaltschaft da hinnehmen, dass der Beschuldigte lange Zeit bekam um entsprechende Beweise beiseite zu schaffen oder wie im Fall Wulff mit aller Macht zu unterdrücken.

    Selbstverständlich sind beide völlig unschuldig. Ginge es um eine Bauamtsmitarbeiter oder eine Sekretärin im Bauamt, wären die schon längst verurteilt.

    Aber keine Sorge. Der „dumme“ Bürger weiß genau wo es stinkt und das ist bestimmt nicht bei der Staatsanwaltschaft. Wulff und Edahty und dieser Artikel zeigen sehr deutlich das es in Deutschland eine Klassenjustiz gibt und wenn sich eine Staatsanwaltschaft mal nicht daran hält, dann geht das natürlich nicht.

    • Es tut mir leid, aber das ist absoluter Schwachsinn! Weder ist bewiesen, dass irgendwelche Beweise vernichtet wurden, noch wäre es strafbar. Niemand ist verpflichtet an seiner eigenen Verurteilung mitzuwirken, demzufolge kann auch niemand zugunsten sich selbst Strafvereitelung begehen.

      Andere Fälle wären längst eingestellt worden bzw. hätte man nichtmal drei verschiedene Behörden gefragt, ob diese eine Strafbarkeit sehen.

      Wenn es um den „kleinen Bürger“ geht, der „unschuldig“ verurteilt wird, dann höchstens, weil er auf ebenso blinde Staatsanwälte wie hier getroffen ist und keinen Rechtsanwalt an seiner Seite hatte, um die Rechte im Strafprozess wahrzunehmen.

  2. Beim kleinen Bürger gibt es keine Berichtshierarchie, bei der z.B. BKA und LKA nach oben bis zum Bundesinnenminister berichten, der dann munter weiter plappern kann, oder wie bei Hoeness wegen der Doppelrolle von Finanzamt als Steuer- und als Strafverfolgungsbehörde Berichte an den Herrn Finanzminister, der das dann dem Ministerpräsidenten weiterplappert (wobei die Justiz offenbar bei Hoeness schnell genug war) , Bei Ermittlungen gegen Abgeordnete ist ein weiteres potentielles Leck die Immunität und die Befassung der Immunitätsausschüsse.
    Je länger und breiter die Berichtskette ist, desto größer ist schlichtweg die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo ein Leck gibt.
    Von daher schreibt Herr Hoff zwar recht forsch, es hat aber einen prinzipiell richtigen Kern.

  3. Das ist natürlich Unfug. Herr Wulff wurde u.a. vorgeworfen, dass er Urlaubseinladungen angenommen hat. Darf ein Bundespräsident oder Ministerpräsident keine Freunde mehr besuchen? Dass in diesen Kreisen Einladungen eben eher nach Spanien und nicht in die Gartenlaube erfolgen, ist ja nun nicht absonderlich und die Empörung darüber dürfte wohl eher von Neid geschürt sein (zur Notiz, nein ich habe keine Villa in Spanien, ich habe noch nicht einmal eine Gartenlaube). Die Klassenjustiz wurde hier genau umgedreht. hier wurde versucht auf Kosten der Rechte des Beschuldigten sich zu profilieren.
    Beim Fall Edathy genau das selbe – es liegt nichts vor, was illegal ist. Die Staatsanwaltschaft beklagt sich über undichte Stellen, lädt aber selbst die Lokalpresse zu einer Hausdurchsuchung ein… Bitte was? Interessant auch, dass im Zuge der Ermittlungen in Kanada 800 Deutsche verdächtig wurden. Pressekonferenzen zum Privatleben gab es aber nur in einem Fall – dem prominenten. Auch wenn man die privaten Details ggf. geschmacklos findet, hat die Staatsanwaltschaft weder die Aufgabe noch das Recht darüber zu urteilen, sondern einzig zu ermitteln ob eine Straftag begangen wurde oder nicht. Was hier geschehen ist, war einfach nur ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat.

    http://volkerswelt.wordpress.com/2014/02/18/rechts-staatsanwaltschaft-und-totschlagargumente/

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