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Missbrauchsprävention im Sportverein

Viele Kinder besuchen in ihrer Freizeit Sportvereine – jedoch sind die im Allgemeinen schlecht organisiert, was die Prävention vor sexuellem Missbrauch angeht. Im Schwimmverein oder beim Fußball: Potenzielle Täter nutzen die Arbeit als Trainer, um in Kontakt zu Kindern und möglicher Opfer kommen. Ein aktives Kinderschutzkonzept gibt es in Vereinen dagegen nur selten.

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Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat nun eine Broschüre für Vereine aufgelegt, die Vereine in Deutschland dabei unterstützen soll, ein Kinderschutzkonzept umzusetzen. Klar ist: Die Vereine in Deutschland tragen die Verantwortung für den Schutz ihrer Mitglieder vor sexuell motivierten Übergriffen durch Trainer. Die Handreichung für Vereine vermittelt nötiges Grundlagenwissen, gibt Hilfestellungen zur Prävention und verbessert das Management im Krisenfall bei Verdachtsfällen von sexuellen Übergriffen.

Sexuelle Gewalt hat viele Gesichter

Körperlicher Kontakt gehört ohne Frage zum Sport dazu: Wer ein enttäuschtes Kind in den Arm nimmt und tröstet, handelt angemessen und richtig. Wer dagegen einzelne Spieler häufiger und vor allem grundlos umarmt, die Privatsphäre beim Umziehen oder Duschen nicht respektiert oder Mitglieder sogar streichelt, überschreitet klar die Grenzen.

Es beginnt häufig eher harmlos, indem der Trainer einem Kind besonders viel Aufmerksamkeit schenkt – meist Kindern, die sich nach Aufmerksamkeit, Akzeptanz und Zuwendung sehnen. Ein Täter baut dann gezielt ein Vertrauensverhältnis sowie soziale Bindungen auch außerhalb des Vereins auf, schickt Nachrichten via WhatsApp oder Facebook, macht kleinere Geschenke oder nimmt das Kind mit zu Bundesligaspielen ins Stadion.

Jeder Verdacht sollte ernstgenommen werden

Der Handlungsleitfaden zeigt auf, wie Täter typischerweise vorgehen, wo grenzverletzendes Verhalten beginnt und welche Anzeichen und Hinweise es bereits früh geben kann. Die rechtzeitig zu erkennen und danach richtig zu handeln ist elementar. In der Praxis werden manchmal hingegen die Augen verschlossen, die Warnzeichen nicht ernstgenommen oder zu lange gewartet, bevor der Verein dann handelt. Natürlich darf keinesfalls überstürzt oder aufgrund von missverstandenen Anzeichen vorschnell und vorverurteilend agiert werden. Im Zweifel kann es ratsam sein, einen externen Berater mit Sachverstand auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs hinzuzuziehen, bevor entweder zu spät oder grundlegend falsch agiert wird oder andererseits aber Beschuldigungen aufgestellt werden, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Zwar gibt der Ratgeber des DFB praktische Anleitung, die im Einzelfall jedoch schwer umzusetzen sein können, da die Zusammenarbeit im Verein häufig auch mit engen persönlichen Freundschaften zwischen der Vereinsführung, den Trainern und den Eltern der Vereinsmitglieder einhergeht.

Kinderschutz und Missbrauchsprävention stehen für eine gelebte Verantwortung im Verein und dürfen nicht leichtfertig vernachlässigt oder „auf die leichte Schulter“ genommen werden. Nicht nur der gute Ruf eines Vereins steht auf dem Spiel, das strafbare Fehlverhalten Einzelner kann vielmehr auch Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche auslösen.


6 Kommentare zu “Missbrauchsprävention im Sportverein

  1. In der Broschüre heißt es:

    „Meist handelt es sich um Kinder, die sich nach Aufmerksamkeit, Akzeptanz und Zuwendung sehnen.“

    Sehnt sich nicht jedes Kind nach Aufmerksamkeit, Akzeptanz und Zuwendung? Andernfalls wäre es doch schon erwachsen, weil in der Lage, für seine Gefühlsregulation selbst zu sorgen. Und auch wir „Großen“ haben in Grundzügen von Zeit zu Zeit noch diese kindlichen Bedürfnisse. Ob Kinderschutz funktioniert oder nicht, zeigt sich an den Reaktionen der verantwortlichen Erwachsenen auf Täterverhalten. Ob ich bereit bin, meine persönlichen Anliegen gegebenenfalls zurückzustellen oder einzuschränken, um die mir anvertrauten Kinder zu schützen. Oder ob mir eigene Vorteile oder Bequemlichkeiten wichtiger sind als die Rechte und das Wohl von Kindern. Effektiver Kinderschutz bemisst sich auch daran, ob und inwieweit ich bereit und in der Lage bin, von mir abzusehen, weil ich für Schwächere einstehen möchte.

    Präventionsleitfäden sind letztlich viel weniger wirksam als die Bekämpfung von Vetternwirtschaft und Korruption. Ist eine Institution davon erstmal befallen, haben Täterinnen und Täter und ihre vom Missbrauch profitierenden UnterstützerInnen leichtes Spiel. Die Katholische Kirche, die Evangelische Kirche, das die Odenwaldschule umspannende Netzwerk, Einrichtungen wie das Aloisiuskolleg und die Heime der Brüdergemeinde Korntal, Pädoseilschaften, die sich im Umfeld der Grünen/AL gebildet haben, aber auch die systematisch betriebene Missbrauchskriminalität in Einrichtungen der Kinderhilfe der DDR zeigen, dass über einen längeren Zeitraum betriebener Missbrauch immer in Hinweis darauf ist, was mit der entsprechenden Organisation nicht stimmt.

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  2. „Nicht nur der gute Ruf ei­nes Ver­eins steht auf dem Spiel, das straf­bare Fehl­ver­hal­ten Ein­zel­ner kann viel­mehr auch Scha­dens­er­satz– und Schmer­zens­geld­an­sprü­che auslösen.“

    Woraus sollten die sich ableiten?

  3. Ich finde es bedenklich, dass Trainer, die sich besonders für bestimmte Kinder einsetzen, zumindest ein Stück weit in diese dunkle Ecke gesteckt werden. Aus einem historischen Kontext! Denn früher, vor 20-30 Jahren, wurde dies als positives Zeichen gewertet. Gerade im Sport kommen Kinder unterschiedlicher Schichten zusammen. Für die da zu sein, die kein einfaches Elternhaus hatten, war eine schätzenswerte Leistung. Das umfasste eben auch mal das Ausgeben einer Bratwurst für die, die kein Geld hatten. Oder auch zu sich nach Hause. „Zieheltern“ ist wohl ein passender Begriff.
    Klar ist, dass Kindesmissbrauch entegegengewirkt werden muss. Man sollte nur aufpassen, dass dies nicht auf Kosten des menschlichen Miteinander geschieht.

  4. „be­stimmte Kin­der“

    @Michael,

    Ihr Beitrag impliziert, dass es „bestimmte“ Kinder seien, die sexuell ausgebeutet werden. Das in einigen Kontexten zwar so, z. B. dort wo es um den gewerbsmäßigen Kindesmissbrauch geht. Hier bedienen sich Täterinnen und Täter häufig in einem bestimmten Milieu.
    Aber: die Mehrzahl der Übergriffe finden unter ganz alltäglichen Bedingungen statt. Wie Menschen, die erwachsene Sexualpartner suchen, haben auch Missbraucherinnen und Missbraucher bestimmte Vorlieben. Seien es physische Merkmale ihrer potentiellen Zielobjekte oder der Grad der Degradierung, dem das kindliche oder jugendliche Opfer mittels sexualisierter Handlungen ausgesetzt werden konnte. Gerade Kinder, die in der sozialen Rangordnung weiter „oben“ stehen, können so für Täter viel „wertvoller“ sein, als solche, die aus einem marginalisierten Milieu stammen. So wie sich auch mancher Mann vor anderen Männern damit brüstet, dass es ihm gelungen sei, seine neu eroberte, attraktive „Partnerin“ zu besonders entwürdigenden Sexpraktiken zu bewegen. Manche bannen so etwas dann auch auf Film. Man kann das finden wie man will, verboten ist das – bisher – nicht. Im Gegensatz zum Kindesmissbrauch. Der ist strafbar. In welcher Form er auch statt finden mag. Unabhängig davon, ob die jeweiligen Täter aus einer psychiatrischen Erkrankung heraus missbrauchen oder wegen ihrer inneren Verwahrlosung.

    Es kommt darauf an, ob und wie die Umgebung der Kinder auf die Missbrauchshandlungen reagiert. Gerade im Bereich Sport mit seinen besonderen Bedingungen gibt es da noch viel zu tun.

    Täterinnen und Täter nutzen die Tatsache aus, dass Vieles in unserem Alltag informell geregelt wird. Der Übergang zu ungesetzlichen Abläufen ist dabei fließend. Gerade da, wo bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt und Eigeninteressen nicht klar benannt und voneinander unterschieden werden. Stichwort „Interessenkonflikt“. Gut veranschaulicht wurde das in diesem Bericht „Umfang, Kontext und Auswirkungen pädophiler Forderungen innerhalb des Deutschen Kinderschutzbundes“.
    http://www.dksb.de/images/web/DKSB_Endbericht-1.pdf (S. 70 – 73, „Erfolgreiche Täterstrategien“).

    • @Angelika Oetken: Ich verstehe leider nicht den Zusammenhang von Ihrem zu meinem Beitrag. Meine These kurz zusammengefasst: Früher waren einige Handlungen sozial akzeptiert, waren sogar gewünscht. Wer diese Handlungen heute tätigt, riskiert als Täter dargestellt zu werden. „Einige Handlungen“ umfasst etwa das Ausgeben einer Bratwurst oder das Einladen zu sich nach Hause. Aus dem Grund heraus, dass manche Kinder von zu Hause aus keine so wohlwollende Behandlung genießen können.

      • Nun, wenn Sie einem Ihrer Schützlinge eine Bratwurst ausgeben, wird das womöglich Erwartungshaltungen bei anderen von Ihnen betreuten Kindern wecken. Aber mehr nicht.

        Anders verhält es sich, wenn Sie Kinder, die Sie betreuen, ob nun im beruflichen Kontext oder ehrenamtlich zu sich nach Hause einladen. Geschieht das ausnahmsweise und in genauer Absprache mit deren Erziehungsberechtigten und den für Ihre Institution Verantwortlichen wäre das auch akzeptabel. Aber von gesunder Skepsis getragene Nachfragen sollten in solchen Fällen selbstverständlich sein.
        Ich persönlich würde die berufliche, ehrenamtlich-semiprofessionelle und private Ebene immer trennen.

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