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Selbstleseverfahren, Band 98

* Nachwuchssorgen: Der Justiz gehen die Juristen aus
* Schöffe verlangt Geld für Freispruch – und steht nun selbst vor Gericht
* Strafverteidiger: Speerspitze der Advokatur
* Opferrechte in Großverfahren: Nebenklage stößt im NSU-Prozess an ihre Grenzen
* Schwarzfahrer gehören nicht in den Knast
* Warum so viele Reflexe, Frau Künast? als Replik auf Fischer allein im Rechtsausschuss
* DAV übt Kritik am Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Doping im Sport
* AG Berlin-Lichtenberg: Schläge für Richter nach Urteil
* Der Richter und sein Bierkrug, oder: Richter sind auch nur Menschen
* Pfleger spritzte tödliche Überdosen „relativ spontan“
* Ein Anwalt, die Schuld und packende Filme
* Australien: Ohne Vorratsdatenspeicherung explodiert die Verbrechensrate


1 Kommentar zu “Selbstleseverfahren, Band 98

  1. Bezüglich Opferrechte halte ich die Meinung von von Schirach für zutreffend. Ein Strafprozess ist keine Therapieveranstaltung. Weder für den Angeklagten noch für das vermeintliche Opfer.
    Der Opferkult der heutigen Zeit übersieht dies und will aus einem Strafprozess eine Opfertherapie machen. Das kann und wird nicht funktionieren.
    Thomas Fischer schreibt, „unser Verfahrensrecht muss diejenigen schützen, die beschuldigt werden.“, es ist keine Opferschutzrecht, zumal das Opfer nur ein vermeintliches ist, solange der Angeklagte nicht verurteilt ist.
    Die Betonung der Opferseite verschiebt aber schon im Vorfeld eines Prozesses die Gewichte und führt zum Fürsorgeexzess, der die Wahrheitsfindung erschwert, insbesondere in den Fällen, in denen die Aussage des Opfers der einzige Beweis ist.
    Aber man sieht es nun auch an dem NSU-Prozess mit 50 Nebenklägervertreter, dass die exzessive Berücksichtigung der Opferseite Verfahren verzögern, aufblähen, teuer machen, bis an die Grenze der Rechtstaatlichkeit. Man muss ich das einmal vorstellen: Der Angeklagte sieht sich plötzlich nicht nur dem Staat als Ankläger gegenüber, sondern auch 50 vermeintlichen Opfern, und jedes dieser Opfer kann plädieren und auf den Schlussvortrag des Angeklagten sogar noch antworten.

    Das sind die Auswirkungen des „Opferkults“, den Thomas Fischer kritisiert. Bei allen Versuchen, eine Gerichtsverhandlung in eine Therapieveranstaltung für erlittenes Unrecht umzufunktionieren, übersieht man leider schon auf der Gesetzgebungsebene, dass die beste Therapie für ein Opfer die schnelle Verurteilung des Täters ist. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass man tatsächlich Mittel und Wege bereit stellt, zum Beispiel Verfahren, in denen Untersuchungshaft vollzogen wird, innerhalb von 6 Monaten abzuschließen. Stattdessen denkt man sich neue Verfahrenshemmnisse aus, siehe NSU-Prozess.

    Für eine besondere Betonung von Opferrechten oder eine besonders zuvorkommende Behandlung im Sinne einer Voreingenommenheit was die Opfereigenschaft angeht, die erst vor Gericht geklärt wird, sehe ich keinen Raum. Wer jemand anderen anzeigt und der Strafe der staatlichen Gemeinschaft zuführen will, muss bereit sein das damit zusammen hängende Sonderopfer zu leisten. Genauso, wie Untersuchungshäftlinge das Sonderopfer der Freiheitsentziehung auf sich nehmen müssen obwohl sie bis zur Verurteilung als unschuldig gelten.

    Für mehr Opferrechte sehe ich allenfalls NACH einer Verurteilung Raum, beispielsweise durch höhere zivilrechtliche Forderungen sowie die Sicherheit, diese auch zu erhalten.

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