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Entfernung des Angeklagten während einer Vernehmung

Der 4. Strafsenat am Bundesgerichtshof hatte sich im Beschluss vom 5. November 2014 mit der Frage zu befassen, für welchen Zeitraum der Angeklagte während der Vernehmung einer von ihm mutmaßlich geschädigten Opferzeugin von der Verhandlung ausgeschlossen werden darf.

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Die Zeugenvernehmung aus der Perspektive des Richters // Foto: Wikipedia/ACBahn (CC BY 3.0) – bearbeitet

Restriktive Auslegung des Begriffs der Vernehmung gilt für die Entfernung

Die Frage ist allerdings seit BGHSt 55, 87 hinlänglich beantwortet: Die fortdauernde Abwesenheit eines nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet regelmäßig den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Selbstverständlich muss dann auch der Ausschließungsbeschlusses selbst in Anwesenheit des Angeklagten verkündet werden und zwar selbst dann, wenn der Angeklagte damit einverstanden sei, den Sitzungssaal davor zu verlassen und für seine Anwesenheit „keine Notwendigkeit“ gesehen wird:

Wie von § 247 Satz 2 Fall 1 StPO vorgegeben, hat das Gericht den Angeklagten (nur) für die Dauer der weiteren Vernehmung der Geschädigten ausgeschlossen1. Die Verkündung des Ausschließungsbeschlusses selbst gehört nicht zu diesem Verfahrensabschnitt. Er muss vielmehr in Anwesenheit des Angeklagten verkündet werden2.

Der Umstand, dass der Verteidiger des Angeklagten zuvor erklärt hatte, „dass der Angeklagte einverstanden sei, den Sitzungssaal zu verlassen, auch wenn dafür keine Notwendigkeit gesehen wird“, steht dem Erfolg der Rüge nicht entgegen; denn das Recht des Angeklagten auf Teilnahme an der Hauptverhandlung ist unverzichtbar und darf nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingeschränkt werden3.

Demzufolge ist die Entfernung des Angeklagten praktisch nur vom ersten bis zum letzten Wort des Zeugen zulässig, danach ist seine Anwesenheit sofort wieder herzustellen.

  1. vgl. zur restriktiven Auslegung des Begriffs der Vernehmung BGH – Großer Senat für Strafsachen -, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 89 f. []
  2. BGH, Beschluss vom 20. August 1997 – 3 StR 357/97, StV 2000, 120; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 247 Rn. 28; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. April 1986 – 2 StR 86/86, StV 1987, 377; OLG Schleswig, SchlHA 2012, 289, 293 f. bei Döllel/Dreeßen []
  3. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 1991 – 4 StR 35/91, BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 18, und vom 27. November 1992 – 3 StR 549/92, BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 19 []

1 Kommentar zu “Entfernung des Angeklagten während einer Vernehmung

  1. Die Nicht-Teilnahme des Angeklagten an einem so wesentlichen Abschnitt wie der Aussage des Tatopfers, halte ich für rechtstaatlich außerordentlich problematisch. Wenn man der Meinung ist, aus Opferschutzgründen wäre die notwendig, sollte die Zeugenvernehmung mittels Videoübertragung erfolgen.

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