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Die Lebensleistung des Uli Hoeneß in der Rechtsprechung

Ab heute muss sich Uli Hoeneß vor dem Landgericht München II wegen Steuerhinterziehung verantworten: Ob es der „Prozess des Jahres“ wird, wie ihn die Medien ankündigten, darf allerdings angezweifelt werden. Nur vier Verhandlungstage sind angesetzt – bereits am Donnerstag könnte das Urteil gesprochen werden.

Eine Haftstrafe ist allerdings keineswegs unvermeidlich, wie es einige Medien skandieren. Und es gibt auch keine zwingende Regel, dass ab einer Million Euro hinterzogener Steuern – oder wie es im Juristendeutsch gern heißt: „verkürzter“ Steuern – es zwingend eine Haftstrafe geben muss. Der auch in diesem Fall zuständige 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat im Urteil vom 02.12.2008 (abgedruckt in der amtlichen Sammlung: BGHSt 53, 71) deutlich formuliert:

Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 176, 178).

Die sog. „Lebensleistungsrechtsprechung“ des 1. Strafsenats

Diese besonders gewichtigen Milderungsgründe werden auch gleich klar benannt, weshalb das Urteil gern als „Lebensleistungsrechtsprechung“ bezeichnet wird:

Ein die Indizwirkung des Hinterziehungsbetrages beseitigender Milderungsgrund ist etwa gegeben, wenn sich der Täter im Tatzeitraum im Wesentlichen steuerehrlich verhalten hat und die Tat nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlich relevanten Betätigungen betrifft. Bedeutsam ist daher das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern. Hat sich der Täter vor der Tat über einen längeren Zeitraum steuerehrlich verhalten, ist auch dies in den Blick zu nehmen. In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist auch die Lebensleistung und das Verhalten des Täters nach Aufdeckung der Tat einzubeziehen, etwa ein (frühzeitiges) Geständnis, verbunden mit der Nachzahlung verkürzter Steuern oder jedenfalls dem ernsthaften Bemühen hierzu.

Die Selbstanzeige ist freilich dünnes Eis, auf welches man sich im Prozess nicht gern begeben wird: Hoeneß stand mit dem Rücken „an der Wand“ – er wusste, dass ein oder zwei Tage später über dieses ominöse Schweizer Konto berichtet werden würde. Allerdings war die Tat noch nicht entdeckt, als er die Selbstanzeige dem Finanzamt einreichte. Lediglich die Existenz eines Kontos mit erheblichem Kapitalbestand war Mittelpunkt der Berichterstattung – nicht, ob das Geld korrekt versteuert war. Eine dahingehende Recherche war jedoch nur eine Frage der Zeit, er wollte jedoch nun „reinen Tisch“ machen und zahlte die Steuern prompt nach. Dass die Selbstanzeige quasi über Nacht erstellt wurde, Unterlagen noch eilig herangeschafft werden mussten – all das lässt Hoeneß in keinem guten Licht erscheinen – jedoch sind mögliche Falschberechnungen seinen Beratern zuzurechnen, nur mittelbar ihm selbst.

Die Lebensleistung des Uli Hoeneß

Entscheidende Bedeutung kommt jedoch der Lebensleistung zu. In einem Statement während der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München hat Uli Hoeneß seine Lebensleistung für die anwesenden Journalisten und Kamerateams prägnant und unter Tränen resümiert:

Ich habe keine hunderte Millionen ins Ausland geschafft. Ich habe Kapitalerträge im Ausland nicht deklariert. Ich habe keinen Euro unversteuertes Geld von Deutschland in die Schweiz gebracht. Ich habe in vielen Jahren zig Millionen Euro an persönlicher Steuer in unserem Land bezahlt. Ich habe in den letzten fünf Jahren über fünf Millionen Euro gespendet, indem ich für Vorträge keine Honorare genommen habe. Indem ich alle Werbe-Einnahmen für soziale Einrichtungen gespendet habe.

Auch zuvor hatte er sich bereits als reuiger Sünder „in Szene gesetzt“. Mindestens 50 Millionen Euro will er an Steuern ehrlich an den deutschen Fiskus gezahlt haben. Die drei komma irgendwas Millionen an „verkürzten“ Steuern fallen daneben doch nicht beträchtlich ins Gewicht – so könnte man es zumindest sehen. Im Übrigen darf die Anforderung an eine „Lebensleistung“ auch nicht überspannt werden: Im Steuerfall Peter Graf (etwa 12 Millionen Mark) rechnete das Gericht dem Vater sogar seine Tennis-Tochter Steffi als „Lebensleistung“ zu, dennoch wurde er zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Es wird also vermutlich viel weniger um die Frage gehen, ob die Selbstanzeige rechtzeitig oder vollständig war, sondern im Schwerpunkt vielmehr um die Strafzumessung in dem konkreten Fall:

Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, kann allein dessen Ausmaß für die Strafhöhenbemessung nicht in dem Sinne ausschlaggebend sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrags schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen.

Daran ändert auch nichts, dass der Vorsitzende Richter der 5. Wirtschaftsstrafkammer, Rupert Heindl ein „harter Hund“ sein soll, der einen „Angeklagten kein einziges Mal anschaut, gerade als ob dieser Luft für ihn gewesen wäre“ und Deals kategorisch ablehne. Auch er wird sich an der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zu orientieren haben. Ihm dies zu vermitteln, wird eine Aufgabe der Strafverteidigung sein. Ansonsten wird die Verteidigung wohl eher zurückhaltend agieren und die Atmosphäre im Gerichtssaal nicht unnötig „vergiften“.

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10 Kommentare zu “Die Lebensleistung des Uli Hoeneß in der Rechtsprechung

  1. Als Strafmilderungsgrund könnte dazu auch die ganze öffentliche Vorverurteilung in den einschlägigen Foren und Kommentarspalten einfließen. Das wäre dann tatsächlich ironisch: Gerade diejenigen, die ihm alles nur erdenklich Schlechte wünschen und kübelweise Häme über ihm ausschütten, würden dann dafür sorgen, dass er nicht angemessen für sein Taten bestraft wird, weil durch den öffentlichen Pranger schon ein Teil der Strafe vorweg genommen wurde. Ob man als ausgleichenden Faktor wiederum gegen die öffentliche Herabwürdigung von UH vielleicht seine Freunde und die Bayernfans anführen kann, die trotz allem immer noch zu UH stehen? Das darf dann das Gericht entscheiden…

  2. Ich hoffe auf Gerechtigkeit und Rechtsprechung, so wie Herr Hoeneß es verdient

  3. Ich hoffe auf Ge­rech­tig­keit und Recht­spre­chung, so wie Herr Ho­eneß es verdient

    Ein seltsamer Wunsch?
    Ich hoffe auf Gerechtigkeit und einer Rechtsprechung, die unabhängig von dem was Herr Hoeneß verdient Urteilt.

    Anders ist es was die gesellschaftliche Konsequenz eines Herrn Hoeneß betrifft. Das ist der Unterschied zwischen dem Recht als Justiz-Vorgang und dem Recht der Gesellschaft eben nichts mehr mit Ihm zu tun haben zu wollen oder vielleicht doch.
    Dies muss jeder und jede Gruppe für sich selbst entscheiden (wie z.B. der FCB) und auch er muss sich entscheiden, wie er sich nach seinen moralischen Auslassungen (genügend Maz-Beispiele hat man ja sehen können) nun weiter in der Gesellschaft bewegt.
    Und alle müssen mit den entsprechenden Reaktionen leben.

    Also ich hoffe, das die Justizia weiter die Augenbinde auf hat und diese im eigentlichen Sinn benutzt.

    Mich irritiert die Aussage über das „Lebenswerk“.
    Ein (ehrenamtlicher) Rettungssanitäter, der im Lauf seiner Tätigkeit x Menschen das Leben gerettet hat, wie viele darf dieser dann ungestört zerstören?

  4. Die Höchststrafe, die das Gesetz für schwere Steuerhinterziehung vorsieht, beläuft sich auf 10 Jahre. Was muss man eigentlich tun, um zu 10 Jahren Knast verurteilt zu werden? Eine Bewährungsstrafe für UH wäre bei dieser Straftat in dieser Höhe ein Schlag ins Gesicht ehrlicher Steuerzahler. Sorry UH, Du solltest für Deine Steuerhinterziehung ein paar Jahre einfahren.

    • Dieser Artikel bezog sich nur auf eine Summe von 3,5 Mio. Euro. Alles worüber man jetzt liest, wird wohl nicht mehr zu einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe führen können.

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