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Wes Brot ich ess, des Lied ich sing …

Wer einmal mit Verkehrsunfallgutachten und möglichen Gesundheitsschäden der Unfallopfer (Stichwort: Schleudertrauma) zu tun hatte, dem wird das folgende Szenario bekannt sein. Ich hatte in der Zivilstation die Möglichkeit, mich bei einem ausgesprochen qualifizierten Richter mehrmals kritisch mit solchen Gutachten auseinander setzen zu können.

Schmerzensgeld für Unfallopfer und die Gutachten der Kfz-Haftpflichtversicherer (Foto: Peter Smola / pixelio.de)

Nun berichtet auch Frontal 21 über die Probleme mit diesen Gutachten: Viele Unfallopfer sind gezwungen, jahrelang vor Gericht um Schadensersatz sowie Schmerzensgeld zu streiten, vor allem bei einem Schleudertrauma. In zermürbenden Verfahren folgt Gutachten auf Gutachten, oft mit widersprüchlichen Ergebnissen. Die Folge: Die Verfahren ziehen sich in die Länge und sind damit für die Kläger mit einem hohen Prozesskostenrisiko verbunden. Mittlerweile haben oberste deutsche Gerichte mehrfach das Regulierungsverhalten von Haftpflichtversicherern als „zögerlich, unverständlich und kleinlich“ gerügt.

Eine entscheidene Rolle kommt dabei den Verkehrsunfallgutachtern zu. Es muss die Frage erlaubt sein, wie „neutral“ Gutachten sein können, die von den Haftpflichtversicherern in Auftrag gegeben werden. Viele Gutachter arbeiten nämlich nicht nur für Gerichte, sondern auch für die Versicherungsunternehmen.

Bisweilen attestieren solche „Gutachten“ – natürlich völlig unvoreingenommen – eine

schwere depressive Verstimmung mit massivstem Entschädigungswunsch.

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat nun die Regierung aufgefordert, den § 404 ZPO dahingehend zu ändern, dass ein Sachverständiger alle Gründe und Beziehungen zu benennen hat, aus denen er ein Interesse an dem Ausgang des Verfahrens haben könnte, oder ob er wirtschaftlich von den Versicherungskonzernen abhängig ist. Auch der Deutsche Richterbund wünscht sich eine Klarstellung der Zivilprozessordnung, dass Sachverständige einen möglichen Interessenkonflikt künfig ungefragt offenbaren müssen.

Nun ist der Gesetzgeber gefordert für die Waffengleichheit zwischen Versicherungskonzernen mit praktisch unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten und den Unfallopfern zu sorgen.


1 Kommentar zu “Wes Brot ich ess, des Lied ich sing …

  1. Die Prolematik findet man aber nicht nur im Verhältnis Gutachter und Versicherungen. Selbes menschliches Verhalten ist im Bereich Gericht und vom Gericht ausgesuchter Pflichtverteidiger zu finden. Dem Angeklagten wird häufig vorgegaukelt, einen Verteidiger zu bekommen, der die Interessen des Angeklagten wahrnehmen wird. In Wirklichkeit ist aber der Pflichtverteidiger vom Wohlwollen des Gerichts abhängig, da er auch zukünftig durch das Gericht bedacht werden möchte.

    In dieser Konstellation besteht immer ein sehr erhöhtes Risiko, dass der Pflichtverteidier die „Interessen“ des Gericht wahrnehmen wird.

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