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Eine Frage des Rechtsfriedens

Nicht nur die Staatsanwaltschaft Hamburg arbeitet am Limit – auch die Landgerichtspräsidentin der Hansestadt Sibylle Umlauf beklagt nun die Überlastung in der Strafjustiz: „Es ist mittlerweile Tagesgeschäft, hin und her zu jonglieren, wie wir die Sachen retten können; wir sind am Limit“. Die Verfahren bleiben liegen, weil die Strafkammern vorrangig Haftsachen abarbeiten müssen, die Opfer von Straftaten kommen nicht zu ihrem Recht:

„Es ist im Straf- und Zivilbereich ein Lavieren an der Obergrenze. Was uns besorgt, ist die Frage des Rechtsfriedens, also zuverlässiges schnelles Recht. Das ist ein sehr wichtiges Gut. Es ist zu befürchten, dass es in Zukunft zu noch längeren Verfahren und leider auch zu Qualitätseinbußen kommen kann.“

So liegen beispielsweise drei Verfahren weiterhin auf Eis, die schon seit 2008 beim Hamburger Landgericht anhängig sind – und Prozesstermine sind wegen der Vielzahl der Verfahren immer noch nicht in Sicht. Seit dem Jahr 2008 hat sich die Anzahl von unerledigten Verfahren mehr als verdoppelt (2008: 159 Verfahren auf 352 unerledigte Verfahren in 2012). Dabei arbeiten auch die Richter mit bis zu 60 Wochenstunden am Limit, sprechen selbst von „nicht mehr hinnehmbaren Verfahrensdauern“ und befürchten, dass demnächst erste Straftaten „der Verjährung entgegen taumeln“. Einige Kammern wären „regelrecht abgesackt“, so dass ein Eingangsstopp verhängt werden musste. So bekommen die anderen Strafkammern dann noch mehr auf den Tisch.

Überlastung der Strafjustiz in Hamburg, hier im Landgericht Hamburg Strafjustizgebäude

Strafjustizgebäude: Landgericht Hamburg

Auch die Zahl der Überlastungsanzeigen ist stetig angestiegen. Mit diesen warnen die Großen Strafkammern, dass sie beim Eingang einer weiteren Haftsache diese nicht innerhalb von sechs Monaten ab U-Haftbeginn terminieren können – selbst wenn sie alle Nicht-Haftsachen absetzen würden. Im Jahr 2010 gab es 15 Überlastungsanzeigen, 2011 dann 18 und 2012 schließlich 23, berichtet das Hamburger Abendblatt in seiner gestrigen Ausgabe.

Besorgt zeigt sich auch der Präsident der Hamburgischen Rechtsanwaltskammer Otmar Kury: „Die Anwaltschaft ist tief besorgt, weil das Landesparlament seit Jahren den Justizhaushalt mit viel zu wenig Mitteln ausstattet.“

Eine Entlastung oder gar eine personelle Aufstockung ist indessen Utopie und nicht eingeplant – im Gegenteil: Weitere Sparmaßnahmen sind seitens der Justizbehörde bereits festgezurrt.