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Neues Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Seit dem 26. April 2019 gilt in Deutschland das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Erstmals hat der Gesetzgeber darin den Schutz von Geschäftsgeheimnissen vollständig gesetzlich normiert. Mit 10-monatiger Verspätung hat Deutschland die EU-Richtlinie 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und Know-How vom April 2016 ins deutsche Recht umgesetzt. Grund für diese Verspätung waren wohl Uneinigkeiten über die Regelungen zu den Rechtfertigungsgründen für Whistleblower und Journalisten.

Legaldefinition eines Geschäftsgeheimnisses

Wichtig ist insbesondere die im Gesetz enthaltene Legaldefinition eines Geschäftsgeheimnisses. Bis jetzt haben die Gerichte immer auf das Geheimhaltungsinteresse und einen erkennbaren Geheimhaltungswillen abgestellt. Jedoch reicht dies laut der neuen Definition von Geschäftsgeheimnissen des § 2 Nr. 1 GeschGehG nicht mehr aus.

Im Sinne dieses Gesetzes ist
1.Geschäftsgeheimnis

eine Information

a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und

b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und

c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht

Bloßer Geheimhaltungswille reicht nicht mehr aus, damit Informationen in den Schutzbereich des neuen Gesetzes fallen. Die drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Somit muss eine Information a) nicht allgemein bekannt sein, also ein tatsächliches Geheimnis, b) sie muss durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt werden und c) es muss ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung bestehen. Natürlich kann eine Information noch durch andere Schutzrechte als Patent oder Design geschützt werden.

Strafvorschrift in § 23 GeschGehG

Das neue Gesetz enthält auch eine Strafvorschrift in § 23 GeschGehG, die eine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen unter Strafe stellt. Die Formulierung des Gesetzgebers ist jedoch so verklausuliert, dass nicht sofort eindeutig ist, welche Handlungen darunter fallen.

Zunächst muss die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses

zur Förderung des eigenen oder fremden Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber eines Unternehmens Schaden zuzufügen

begangen werden. Dazu nennt das Gesetz in § 23 Abs. 1 GeschGehG drei strafbare Handlungen:

  • Nr. 1 verbietet das unbefugte Aneignen oder Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, welche der rechtmäßigen Kontrolle des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und ein Geschäftsgeheimnis enthalten oder sich aus ihnen eines ableiten lässt.
  • Nr. 2 stellt die Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses unter Strafe, das durch eigene Handlungen auf die gleiche Weise wie Nr. 1 erlangt wurde.
  • Nr. 3 setzt die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen in einem Arbeitsverhältnis unter Strafe. Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäftsgeheimnis offenlegt, trotz der Verpflichtung diese nicht offenzulegen. Diese Geschäftsgeheimnisse müssen im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich gemacht worden sein und die Offenlegung muss geschehen, also bevor dieses beendet ist.

Qualifikationen in § 23 Abs. 4 GeschGehG

Eine Qualifikation ist das gewerbsmäßige Handeln der Handlungen des § 23 Abs. 1 oder Abs. 2 GeschGehG. Auch die Kenntnis bei der Begehung der Handlungen des § 23 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 (Aneignung, Kopieren, Nutzung oder Offenlegung), dass Geschäftsgeheimnisse im Ausland genutzt werden sollen oder die tatsächliche Nutzung der Geschäftsgeheimnisse durch Handlungen des § 23 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 (Nutzung oder Offenlegung) im Ausland, sind Qualifikationen des strafrechtlichen Nebengesetzes und unterliegen einer höheren Strafe.

Das Gesetz enthält jedoch Rechtfertigungsgründe für Whistleblower und Journalisten.

Wie das Gesetz in der Praxis aufgenommen wird, bleibt abzuwarten. Es gibt allerdings einige Werkzeuge zum effektiven Schutz von Geschäftsgeheimnissen in die Hand.


Keine Computer im Gefängnis, kein Anspruch für Gefangene

Gefangene haben keinen Anspruch auf den Besitz eines eigenen Computers oder die Nutzung von Computern der Justizvollzugsanstalt. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 27. März 2019. Die Verfassungsbeschwerde betraf die Frage des Anspruchs eines Gefangenen auf den Besitz eines Computers beziehungsweise auf die Nutzung der in der Justizvollzugsanstalt vorhandenen Computer. Er wollte diese hauptsächlich zum Verfassen von Schriftsätzen, insbesondere für gerichtliche Verfahren nutzen. Der Gefangene führte als einen Grund an, dass er seine Schreibmaschine auf Grund des Lärmes abends nicht mehr nutzen kann. Andere Mitgefangenen fühlen sich durch die lauten Geräusche der Schreibmaschine gestört. Dies sahen die Karlsruher Richter jedoch als zumutbar an und stellten weiter fest, dass der Grundsatz der Waffengleichheit in gerichtlichen Verfahren nicht das Recht auf eine gleichwertige technische Ausstattung bedeutet oder auf den Zugang zu einem Computer.

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Sicherheitsbedenken sind Hauptgründe für Computer-Verbot

Als Hauptgrund führt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung Sicherheitsbedenken an, insbesondere den sicherheitsgefährdenden Missbrauch. Besteht jedoch durch Verplombung oder andere technische Vorkehrungen die Möglichkeit den Computer für eine Nutzung im Gefängnis herzurichten, gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, diese Möglichkeit auch zu nutzen. Dies wurde mit einem von der Anstalt nicht erwartbaren Kontrollaufwand einfach abgelehnt. Es ist kaum zu glauben, dass für Justizvollzugsanstalten in der heutigen Zeit nicht die technische Möglichkeit besteht, die von einem Computer ausgehenden Sicherheitsrisiken einzuschränken und so ohne Bedenken die Gefangenen ihre Schriftsätze am PC verfassen zu lassen.

Vorbereitung auf ein Leben als digitaler Analphabet

Eines der Hauptziele von Gefängnisstrafen soll die Resozialisierung sein und die Häftlinge möglichst gut auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Doch wie soll ein Gefangener nach seiner Haft an einem modernen gesellschaftlichen Leben mit ständigen technischen Fortschritten, geschweige denn auf dem Arbeitsmarkt zurechtkommen, wenn er vielleicht das letzte mal einen Windows XP bedient hat und noch nie ein Smartphone in der Hand hatte?

Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) entschied 2017, dass Vertragsstaaten Häftlingen keinen Zugang zum Internet ermöglichen müssen, betonte aber die Bedeutung von Medien im heutigen Alltag in seinem Urteil. Diese Entscheidung ist noch teilweise verständlich, zu hoch ist das Risiko des Missbrauchs. Beispielsweise könnten Pädophile Kinderpornographie schauen oder Gefangene Fluchtversuche planen. Doch sollte auch im Gefängnis digitaler Fortschritt stattfinden und den Gefangenen der Zugang zu Computern ermöglicht werden. Ansonsten werden sie in Freiheit digitale Analphabeten sein und den Anschluss an die moderne Welt völlig verlieren. Übrigens stellte die Justizvollzugsanstalt im vorliegenden Fall dem Gefangenen eine elektronische Schreibmaschine in Aussicht. Damit würden Gefangene nur noch 25 Jahre technisch hinterherhinken. Viele von uns wissen wahrscheinlich nicht einmal mehr was eine elektronische Schreibmaschine überhaupt ist.

So wird es wohl erstmal Gefangenen weiterhin zugemutet Schriftsätze handschriftlich oder mit einer Schreibmaschine anzufertigen – Willkommen im 21. Jahrhundert.


Die 5 besten True Crime Podcasts

Die Faszination am Bösen – diese True Crime Podcasts über echte Kriminalfälle machen süchtig! Die erschreckenden Abgründe der Menschheit sind es, was viele True Crime Fans an den wahren Kriminalfällen fasziniert. True Crime Podcasts sind düster, schockierend, gruselig und manchmal können sie sogar auch witzig sein. Sie sind wie eine nicht visualisierte Netflix Dokumentation – fesselnd und spannend.

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Der Hype um die Geschichten über die wahren Kriminalfälle kommt aus den USA, doch mittlerweile gibt es auch einige gute deutsche True Crime Podcasts und es kommen stetig neue hinzu. Einblicke in die tiefsten Abgründe der Menschlichkeit, das Tatgeschehen und die Psyche eines Täters fesseln die Hörer und Hörerinnen. Nicht alle Podcasts beschäftigen sich jedoch mit grausamen Morden – von Justizirrtümern über Betrug bis zu rechtspolitischen Themen ist alles mit dabei. Es gibt keine bessere Möglichkeit Zeit totzuschlagen als mit einem guten Podcast. Der bekannteste ist wohl zurecht Zeit Verbrechen, es gibt jedoch noch viele weitere Podcasts, die Sie auf Trab halten werden. Die 10 besten US-Anwaltsserien haben wir Ihnen schon einmal wählen lassen, jetzt kommen die 5 besten Podcasts.

Hier ist unsere Liste der 5 besten True Crime Podcasts:

1. Zeit Verbrechen

Zeit Verbrechen PodcastZeit Verbrechen ist wohl der bekannteste und beliebteste True Crime Podcast. Sabine Rückert, stellvertretende Chefredakteurin der Zeit, und Andreas Sentker, Ressortleiter Zeit Wissen, besprechen hier spannende deutsche Kriminalfälle und gehen noch tiefer. Sie beschäftigen sich mit den Motiven und Hintergründen einer Tat und fragen sich alle zwei Wochen aufs Neue, warum Menschen Verbrechen begehen, warum Zeugen lügen und wie es zu verheerenden Justizirrtümer kommen kann.

2. Christin und ihre Mörder

Christin und ihre Mörder PodcastChristin und ihre Mörder ist ein achtteiliger rbb-Podcast und behandelt den Mord an Christin aus Berlin-Lübers. Die 21-jährige Christin wird im Juni 2012 tot auf einem Parkplatz aufgefunden. Hat ihr Freund Robin und seine Mutter etwas damit zu tun? Erzählt wird ein erschreckender und schlicht unglaublicher Kriminalfall. Der Podcast enthält Interviews mit Christins Familie und mit den Tätern, die einen erschaudern lassen. Für echte True Crime Fans ein Muss!

3. Serial – True Crime Podcast

Serial – True Crime PodcastMit dem True Crime Podcast Serial fing der Hype 2014 in Amerika an. Sarah Koenig geht der Frage nach, ob der junge Adnan Syed zu recht wegen Mordes an seiner High-School Freundin verurteilt wurde. Adnan soll seine Freundin Hae Min Lee im Januar 1999 in Baltimore getötet haben, jedoch gibt es viele Widersprüche. Sarah Koenig spricht mit Freunden, Zeugen und anderen Beteiligten, um zu erfahren was wirklich mit Hae Min Lee passiert ist. Die erste Staffel besteht aus 12 Folgen, inzwischen gibt es noch zwei weitere, weniger spannende Staffeln.

4. Schmutzige Geschäfte

Schmutzige Geschäfte Podcast SwindledSchmutzige Geschäfte ist die deutsche Fassung des amerikanischen True Crime Podcasts Swindled. Gesprochen wird dieser Podcast von dem Tatort-Schauspieler Thomas Arnold. Hier geht es nicht um Mord, dafür um illegale Geschäfte, Betrug, Hochstapler. Wahre Kriminalfälle über geniale Köpfe, die es schaffen, Behörden, Firmen und ihre Mitmenschen hinters Licht zu führen. Jede Folge behandelt einen anderen Fall und fasziniert die Zuhörerinnen und Zuhörer.

5. Mordlust

Mordlust PodcastDie beiden Freundinnen Paulina Krasa und Laura Wohlers besprechen in ihrem True Crime Podcast Mordlust wahre Kriminalfälle. Jede Folge stellen sie sich gegenseitig einen neuen, erschreckenden Kriminalfall vor und besprechen diese gemeinsam. Auch geben die Journalistinnen Updates über aktuelle Strafverfahren und führen Interviews mit Strafverteidigern und Psychologen. Obwohl dieser Podcast düstere Fälle behandelt, wird viel gelacht und die Zeit vergeht meist wie im Flug.

 
Fehlt Ihrer Meinung nach ein wichtiger True Crime Podcast in dieser Liste? Dann lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen!


Kurzer Prozess statt Wahrheitsermittlung?

Die Strafprozessordnung soll weiter reformiert werden, um „kurzen Prozess“ zu machen. Besser klingt natürlich zu sagen, Strafverfahren sollen beschleunigt und so die Effektivität des Strafverfahrens erhöht werden. Dadurch solle nicht zuletzt das „Vertrauen des Bürgers“ in den Rechtsstaat gestärkt werden. Klingt gut, ist aber Etikettenschwindel. Tatsächlich geht es darum, den Rechtsstaat aufzuweichen und Verfahrensrechte zulasten der Beschuldigten abzuschaffen.

Darum ging es bereits in der letzten Reform 2017 durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens, nun sollen noch mehr Rechte beschnitten und den Richtern noch mehr unkontrollierte Macht zugesprochen werden.

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Wesentliche Punkte gehen zu Lasten der Angeklagten und ihrer Verteidiger

Die Reformvorschläge zur StPO des von Katarina Barley geführten Bundesjustizministeriums (BMJV), die gewünschte Beschleunigung zu erreichen, schränken ausschließlich die Rechte der Angeklagte und ihrer Verteidigung ein. So sollen Befangenheitsanträge nicht mehr unbedingt zu einer Unterbrechung der Hauptverhandlung führen, was allerdings auch heute schon nicht so ist. Die Verhandlung soll trotz einer möglichen Befangenheit des Richters für ganze zwei Wochen weitergeführt werden, ohne dass zuerst über den Antrag entschieden werden müsste. Wird dem Ablehnungsantrag dann stattgegeben, sollen die Verhandlungstage einfach nachgeholt werden können, d.h. Zeugen müssen ein weiteres Mal aussagen. Klingt erst mal nicht weiter schlimm, aber was ist, wenn Opfer einer Vergewaltigung oder eines sexuellen Missbrauchs dann erneut aussagen müssen?

Auch soll die Ablehnung eines Ablehnungsantrags noch einmal deutlich vereinfacht werden. Anträge, die vermeintlich lediglich zur Prozessverschleppung gestellt werden, können, ohne den Prozess zu unterbrechen, vom Gericht abgelehnt werden.

„Es ist dringend notwendig, die Strafverfahren zu vereinfachen und zu verhindern, dass sie durch Missbrauch bestimmter Verfahrensrechte verschleppt werden“  – Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Kurzer Prozess statt Wahrheitsermittlung

Der Versuch, die Strafverfahren zu beschleunigen und die Justiz zu entlasten, geschieht mal wieder, sollte es zu einem etwaigen Gesetzesentwurf kommen, fast ausschließlich zu Lasten der Verteidigerrechte. Letztendlich werden so die prozessualen Rechte des Beschuldigten eingeschränkt, was insbesondere unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips höchst bedenklich ist.

Als Grund für den neuerlichen Reformbedarf wird hier zu Unrecht der NSU-Prozess als Negativbeispiel herangezogen, wie Wiebke Ramm auf Twitter schreibt:

Bei 438 HVT in gut 5 Jahren gab es 57 Befangenheitsanträge gegen Richter. Die m.E. irreführend kommunizierte Zahl 202 ist die Summe der betroffenen Einzelpersonen in den 57 Befangenheitsanträgen. Zum Vergleich:

  • NSU-Prozess: 438 Hauptverhandlungstage in gut 5 Jahren, 57 Befangenheitsanträge
  • Stammheimprozess: 192 Hauptverhandlungstage, 85 Befangenheitsanträge
  • Koblenzer Prozess „Aktionsbüro Mittelrhein“: knapp 5 Jahre, mehr als 500 Befangenheitsanträge.

Strafverteidiger unter Generalverdacht

Es scheint, als nutze die Mehrheit und nicht bloß eine kleine Gruppe der Verteidiger Anträge zur bloßen Prozessverschleppung. Dass diese jedoch in aller Regel der Wahrheitsfindung und der Wahrung der Beschuldigtenrechte dienen, wird dabei völlig außer Acht gelassen.

Deutlich wird dies vor allem daran, dass auch der Begründungsaufwand für Beweisanträge noch weiter erhöht werden soll. Der Zusammenhang zwischen Beweismittel und der zu beweisenden Tatsache muss dann stets aufgezeigt werden. In Wahrheit soll dadurch ein weiterer Grund geschaffen werden, Beweisanträge leichter ablehnen zu können.

Schließlich sollen mittels DNA-Analyse bei aufgefundenen Spuren die Augen-, Haar- und Hautfarbe der Person ermittelt werden, um so Straftaten besser aufklären zu können. Bei Einbruchsdiebstählen soll die Telekommunikationsüberwachung zur Verfolgung der Straftat möglich sein.

Teil des Paktes für den Rechtsstaat

Schon lange fordert der Deutsche Richterbund Strafverfahren zu beschleunigen und die Justiz zu entlasten. Mit dieser Strafprozessreform kommt die Bundesregierung diesen Forderungen nach. Die Änderung der Strafprozessordnung ist weiterer Bestanteil des im Koalitionsvertrag vereinbarten Paktes für den Rechtsstaat, welcher Anfang des Jahres beschlossen wurde. Nach Angaben des SPIEGEL soll das CDU-geführte Innenministerium dem Arbeitspapier des BMJV bereits grundsätzlich zugestimmt haben, und somit wird es wohl bald zu dem entsprechenden Gesetzesentwurf kommen. Es ist zu hoffen, dass sich die Koalition mit der Kritik noch auseinandersetzt und vielleicht andere Ansätze zur Entlastung der Justiz verfolgt.


Ungerechtigkeit im Namen des Volkes

Ingo Lenßen, Bartträger, TV-Anwalt und Autor so wichtiger Fachliteratur wie „Meine juristische Hausapotheke“ hat ein weiteres Problemfeld ausgemacht: Die (angebliche) Ungerechtigkeit im Namen des Volkes. In seinem Buch dieses Titels wendet er sich 44 aus seiner Sicht ungerechten Urteilen der Vergangenheit zu, die er für „extrem fragwürdig“ hält.

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Foto: Verlag (Gräfe und Unzer)

Urteilen über Urteile, die man nicht kennt

Lenßen, der sich als „Deutschlands bekanntester Strafjurist“ feiern lässt, unterläuft dabei nur ein minimaler Fehler: Er war weder in der Hauptverhandlung dabei, noch kennt er die Urteile, die diesen Fällen zugrundeliegen und die er dennoch kritisiert. So etwa in einem Fall aus Hamburg, der sich im Februar 2016 zutrug: Die Hauptverhandlung fand nahezu komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da von den fünf Angeklagten vier noch jugendlich waren. Weder nahm er – wie übrigens die meisten anderen Journalisten – die mündliche Begründung des Vorsitzenden Richters auf, noch las er die Urteilsgründe, die noch immer im Volltext im Internet zugänglich sind. Aber wie kann man überhaupt Urteile bewerten, deren Einzelheiten man nicht kennt?

In der Rechtswirklichkeit läuft es freilich anders als in den Fernsehgerichtsshows. Der Sachverhalt steht keineswegs von vornherein fest wie in einem Drehbuch, sondern muss in der Hauptverhandlung mühsam erarbeitet werden. Und so ändern sich Wertungen aus Pressemitteilungen oder der Anklageschrift im Laufe einer Beweisaufnahme. Nimmt man hingegen sein Wissen aus den Boulevardzeitungen, perpetuieren sich Fehler, Missverständnisse und Halbwahrheiten, die dann zu einer subjektiv wahrgenommenen Ungerechtigkeit im Volke führen. Daran ist allerdings nicht das vermeintlich zu nachsichtige Urteil schuld, sondern die falsche Berichterstattung.

Ungerechtigkeit, missverstandene Strafe und persönliche Schuld

Und noch etwas stört Rechtsanwalt Ingo Lenßen offenbar an unserem Strafrecht:

„Im Strafgesetzbuch findet man unter ,einfacher Körperverletzung‘ einen Strafrahmen von einer Geldstrafe von bis zu fünf Jahren Haft“, sagt er. „Das muss klarer geregelt sein: Ein Schlag mit der Hand ohne weitergehende Verletzungen bedeutet Tagessatzzahl X, fällt dem Opfer ein Zahn dabei aus, sind es 30 Tagessätze mehr. Trägt das Opfer einen bleibenden Schaden davon, keine Strafe unter zwei Jahren – und so weiter und so fort.“

Nun folgt Strafe allerdings aus der persönlich vorwerfbaren Schuld eines Angeklagten, das lernt man bereits im ersten Semester. So versteht sich eigentlich von selbst, dass es vielleicht einen Unterschied macht oder zumindest machen sollte, ob ein erwachsener Mann einen anderen Mann mit der Hand ins Gesicht schlägt oder aber eine Frau schlägt. Oder ein vierjähriges Kind, weil es den Spinat nicht aufessen will. Oder ob die überforderte Pflegerin einen 94-jährigen ohrfeigt, weil er das dritte Mal in dieser Nacht sein Bettzeug beschmutzt hat. Angesichts all dieser Besonderheiten wird es in der Lenßen’schen Strafmaßtabelle schon reichlich eng.

Die Idee für dieses Buch ist natürlich keineswegs neu: Schon Norbert Blüm besserte mit einem Empörungswerk seine ohnehin sichere Rente auf. Dem folgt heute nun das Empörungswerk von Lenßen. Ich werde es nicht lesen. Denn man kann sich offenkundig ja auch eine Meinung bilden, ohne das zugrundeliegende Schriftstück gelesen zu haben.