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Schusswaffengebrauch situationsbedingt wahrscheinlich

Vor einer Woche hatten sich im Hamburger Schanzenviertel rund 7.300 Menschen zu einer Kundgebung für den Erhalt des linken Kulturzentrums „Rote Flora“ versammelt, als die Polizei die Demonstration noch vor ihrem eigentlichen Beginn mit einem Großaufgebot an Polizisten unter Einsatz von Wasserwerfern auflöste. Es folgten die schwersten Krawalle in Hamburg seit Jahren mit zahlreichen Verletzten auf beiden Seiten. Polizei und Demonstranten beschuldigten sich danach gegenseitig, die Aggressionen ausgelöst zu haben.

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Die Davidwache (Polizeikommissariat 15) in Hamburg St. Pauli –Reeperbahn // Foto: Pavel Krok (CC BY-SA 2.0 DE)

In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 2013 sollen ca. 40 vermummte Linksradikale die Polizeiwache auf der Reeperbahn (die „Davidwache“) angegriffen und drei Polizeibeamte aus nächster Nähe mit Steinen und Pfefferspray verletzt haben. Einen Beamten, der auf keinen Angriff vorbereitet war, soll ein Stein aus geringem Abstand im Gesicht getroffen haben, der dadurch einen Nasenbein- sowie Kieferbruch erlitt und mehrere Zähne verlor.

Schockiert über dieses Ausmaß der Gewalt erklärte die Deutsche Polizeigesellschaft: „Wer aus kürzester Distanz Flaschen und Steine auf Polizisten wirft, nimmt billigend in Kauf, dass Menschen getötet werden.“ Die Gewerkschaft sieht mittlerweile „eine Dimension erreicht, die einen Schusswaffengebrauch situationsbedingt wahrscheinlich machen könnte“.

Einige Medien, allen voran die Hamburger Morgenpost, haben die bereits erreichte Eskalationsstufe nicht verstanden und gießen weiterhin Öl ins Feuer: „Wir schießen nächstes Mal scharf!“, titelt die Mopo und zeigt dazu mehrere Polizeibeamte in voller Schutzausrüstung. Diese trugen die Polizeibeamten vor der Davidwache gerade nicht, als diese mit Steinen angegriffen wurden.

Nachtrag: Ein ausgewogener Bericht findet sich jetzt auch bei Spiegel online.

Hamburger Morgenpost (Mopo): Polizei: Wir schießen nächstes Mal scharf! Schusswaffengebrauch situationsbedingt wahrscheinlich

Schusswaffengebrauch situationsbedingt wahrscheinlich? Die Mopo deutet die Warnung um!


6 Kommentare zu “Schusswaffengebrauch situationsbedingt wahrscheinlich

  1. Irgendwann werden wir schießen müssen.

    „Am 21. Dezember 2013 in Hamburg haben wir die Sau raus gelassen. Jeder von uns auf seine Art und Weise. Wir haben Barris gebaut, die Bullen Steine fressen lassen, Schaufenster entglast, Mülltonen angezündet, Hinterhalte gelegt, gelacht und eine heiden Angst gehabt. …

    Irgendwann werden wir schießen müssen. Das ist unvermeidlich. Nicht weil wir das Blutbad wollen. Sondern weil die Bullen uns jeden Raum genommen haben, den wir uns dann mit aller Gewalt zurückerobern müssen. Um atmen zu können. Um nicht in der Diktatur zu ersticken. Um nicht eines Tages aufzuwachen, nur um festzustellen, dass wir bereits tot sind.“

    https://linksunten.indymedia.org/de/node/102039

    Es scheint, als wäre es wie immer. Die Krawallmacher machen Krawall. Auf beiden Seiten.

    • Beim obigen Link gibt es zum Glück weitere Kommentare, die eher besonnen wirken.

  2. Die Gnade der frühen Geburt oder die Sicht eines über 50jährigen: ich verfolge solche Diskussionen nach Demonstrationen seit ca. 35 Jahren. Die Argumente ähneln sich auf beiden Seiten über die Jahrzehnte. Die Probleme der Demonstranten, ihre Übergriffe wirklich überzeugend zu begründen, sind auch die selben geblieben. Neu ist die Möglichkeit, vermeintliche Übergriffe der einen oder anderen Seite per Video festzuhalten. Was ist eigentlich mit den Demonstrationen, die ohne Zwischenfälle ablaufen? Demonstrationen sind der Ausnahmefall. Ich bin über die Jahrzehnte mitgelaufen und habe Demonstrationen verlassen, bei denen ich den Eindruck hatte, die ohnehin überhitzte Stimmung könnte kippen. Ich habe Demonstrationen erlebt, bei denen Polizeibeamte Strassenblockaden für einen längeren Zeitraum zugelassen haben und dann von Seiten der mündigen Bürger verbal angegangen wurden, mithin zwischen alle Fronten geraten waren. Ich kann die Vorgänge in Hamburg nicht beurteilen, denke aber sofort an die Mai-Demos in Berlin, Anti-Atom-Demos, Wackersdorf, Häuserkampfdemos, Hafenstraße, Startbahn West. Mir kratzt die Diskussion allgemein zu sehr an der Oberfläche. Das, was ich höre, ist nicht neu. Eine Idee, wie man eine „kultiviertere“ Demonstrationskultur etablieren kann, habe ich nicht. Man sollte aber bei der Betrachtung den Blickwinkel weiter stellen. Ich verstehe schon länger nicht, wie Polizeibeamte Demonstrationseinsätze verdaut bekommen. Das Thema ist aber nicht neu.

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