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Verschickte der Fußballprofi Kinderpornos per WhatsApp?

Die Sicht des Strafverteidigers

Kaum ein Medium berichtet in den letzten Tagen nicht davon: Ein ehemaliger Fußballnationalspieler soll Fotos mit mutmaßlich kinderpornografischem Inhalt an eine Frau aus Hamburg geschickt haben. Daraufhin durchsuchten Beamte des LKA42, dem Hamburger Fachdezernat für Sexualdelikte, seine Wohnung und stellten mehrere technische Geräte sicher.

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Ausgehend von der Unschuldsvermutung sollte man zunächst einmal davon ausgehen, dass der Beschuldigte unschuldig ist. Und für mich als Strafverteidiger gilt das natürlich umso mehr.

Merkwürdiger Anlass der Ermittlungen gegen Fußballprofi

Wie die Polizei Hamburg inzwischen bestätigte, wurden die Ermittlungen gegen den Fußballprofi nach einem Hinweis der „Bild“ eingeleitet. Da die mutmaßlich kinderpornografischen Bilder jedoch nicht an die Reporter, sondern an eine Frau aus Hamburg geschickt worden sein sollen, muss allein dieser Umstand zumindest verwundern. Wer wendet sich zuerst an die Presse und erst danach an die Polizei?

Aber auch viele weitere grundlegende Fragen sind bislang ungeklärt. Die zentrale Frage: Warum sollte ein Mann solche Bilder per WhatsApp an eine Frau senden? Was wollte er damit erreichen? Handelte es sich um eine Freundin oder sogar seine Freundin? Oder seine Ex-Freundin? Wollte er sich ihr über eine vermeintliche Neigung anvertrauen? Aber per WhatsApp? Wie soll das abgelaufen sein? „Du, ich stehe mehr auf Kinder. Ich schicke dir jetzt Fotos, die mich anmachen?“ Das ist schon sehr weit hergeholt.

In diesem Zusammenhang muss man sich fragen, ob die Frau ein Motiv haben könnte, dem Fußballprofi zu schaden. Warum wendet sie sich sonst mit einem solchen Sachverhalt zuerst an die Presse? Zwar soll sie vom LKA42 über sechs Stunden vernommen und ihre Aussage als glaubhaft beurteilt worden sein, aber das heißt leider nicht viel.

Kann man der Arbeit der Ermittlungsbehörden trauen?

Aus meiner Erfahrung muss ich die Frage leider mit Nein beantworten. Meine Kanzlei beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Sexualstrafrecht – ich insbesondere in Aussage gegen Aussage-Konstellationen. Fast täglich bin ich mit den Ermittlungen des LKA42 befasst. Die Befragungen von möglichen Geschädigten zeichnen sich leider häufig dadurch aus, dass diesen ZeugInnen völlig unkritisch alles geglaubt wird. Lebensfremd klingende Schilderungen werden nicht gründlich hinterfragt und dadurch besser aufgeklärt. Viele Sachbearbeiter verfügen darüber hinaus über keine hinreichende Fortbildung in Befragungstechniken oder in Aussagepsychologie.

Dazu ein Beispiel: Meine Mandantin saß wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Das LKA42 hatte die Ermittlungen geführt und ihr Mobiltelefon ausgelesen. Bei der Auswertung beachtete man nicht die Zeitverschiebung, sondern ging von der UTC-Zeit aus. Der Polizei, der Staatsanwaltschaft und dem Ermittlungsrichter war dieser Fehler nicht aufgefallen. Meine damit begründete Haftbeschwerde war erfolgreich, die Mandantin wurde (nach acht Tagen) aus der U-Haft entlassen. Ist diese Ermittlungspanne ein Einzelfall? Leider nicht.

Wie lange dauern die Ermittlungen?

Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung oder dem Besitz von Kinderpornografie zeichnen sich insbesondere durch ihre lange Dauer aus. Alle Geräte mit einer Speichermöglichkeit werden sichergestellt und ausgewertet. Die Auswertung übernimmt das LKA Hamburg aber nicht selbst, sondern schickt üblicherweise alle Geräte zur Auswertung an ein IT-Forensikunternehmen nach München. Dieses Unternehmen hat derzeit einen Verfahrensrückstau von ca. 9 Monaten, so dass Akteneinsicht in der Regel etwa ein Jahr nach der Durchsuchung gewährt wird. Man darf wohl davon ausgehen, dass das LKA541 in Hamburg die Auswertung in diesem Fall selbst vornimmt. Jedenfalls wurde das Mobiltelefon der Frau bereits in Hamburg ausgewertet, angeblich unter Hinzuziehung von Experten des BKA. Dabei habe man keinerlei Hinweise gefunden, die auf eine Manipulation hindeuten.

Was hätte er im Falle einer Verurteilung für eine Strafe zu erwarten?

Der Blick in die Zukunft ist schwierig: Unterstellt, der Fußballprofi hätte die Tat tatsächlich begangen wie bisher lediglich vermutet wird, mit was für einer Strafe hätte er zu rechnen?

Man darf unterstellen, dass er die kinderpornografischen Fotos zusammenhängend und nicht über mehrere Tage versandte. Es läge dann ein Fall der Verbreitung von Kinderpornografie vor, strafbar nach § 184b Abs. 1 StGB. Der Strafrahmen beträgt drei Monate bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Da es sich aber um lediglich 15 Bilder handelte, liegt der Fall ganz im unteren Bereich des Strafrahmens. Hier kommt § 47 StGB ins Spiel: Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten soll das Gericht nur in Ausnahmefällen verhängen, wenn besondere Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters dies gebieten. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.

Besonderheit der Strafzumessung

Richtigerweise müsste man grundsätzlich von der Sanktionierung mit einer Geldstrafe ausgehen. Zu beachten ist allerdings, dass die Hamburger Justiz seit einiger Zeit eine „Null-Toleranz“-Politik fährt und bedeutend höhere Strafen beantragt als sonst in Norddeutschland. Der Besitz von 5.000 kinderpornografischen Fotos führte am Amtsgericht Buxtehude zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen, in Hamburg hätte der Beschuldigte sicherlich 6-8 Monate Freiheitsstrafe bekommen. Ist das im Einzelfall gerecht?

Bei der Strafzumessung ganz erheblich zu berücksichtigen ist jedoch stets die Strafe neben der Strafe. Der Fußballprofi ist als Beschuldigter öffentlich praktisch hingerichtet worden. Egal, wie das Verfahren am Ende ausgeht, hat der Beschuldigte die Strafe der sozialen Ächtung bereits erhalten und hat alles, was er sich in seinem Leben aufgebaut hatte, verloren. Auch im Falle eines Freispruchs bleibt immer „etwas hängen“. Dies wäre richtigerweise erheblich strafmildernd zu berücksichtigen. Drei Monate Freiheitsstrafe entsprechen – als Mindeststrafe – 90 Tagessätzen Geldstrafe. Ginge man selbst von 120, 150 oder 200 Tagessätzen aus, wie will man diese soziale Exekution hier berücksichtigen? Was soll dann als Strafe übrig bleiben?

Dazu beigetragen hat nicht zuletzt die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft, die den vollen Namen des Beschuldigten nannte und dadurch als privilegierte Quelle die Berichterstattung der Medien legitimierte. Dies scheint mir ein Novum zu sein, da zumindest nach meiner Erinnerung bislang nie der vollständige Name eines Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft mitgeteilt wurde. Hier hat die Staatsanwaltschaft deutlich eine Grenze überschritten.

Ein Lichtblick zum Schluss: Nachdem bekannt wurde, dass der Kollege Dr. Rüdiger Deckers den ehemaligen Fußball-Nationalspieler verteidigt, kann dieser sich zumindest freuen, einen der bundesweit besten Verteidiger auf diesem Gebiet an seiner Seite zu wissen.

Ergänzung:
Zur Krisenkommunikation in diesem Fall – 9 Thesen zur Litigation-PR von Armin Sieber.


6 Kommentare zu “Verschickte der Fußballprofi Kinderpornos per WhatsApp?

  1. Offensichtlich hat sich ein Mannheimer StA nach Hamburg verlaufen…

  2. Warum schickt man das an irgendeine Frau? Vielleicht wollte man sie ja gar nicht an sie schicken, sondern an jemand anders, und die Frau hat die zufällig bei ihr gelandeten Bilder für ein Scoopgeld an BLÖD gemeldet, bevor der Irrtum bemerkt und die Nachricht gelöscht wurde?
    Gegen diese „Versehen-Variante“ spricht allerdings, dass zu ihrer Klärung eine sechsstündige Vernehmung erforderlich sein sollte..
    Warum man diese Vernehmung bei einer „absichtlich-verschickt-Variante“ bräuchte, ist mir aber genau so schleierhaft.
    Irgendwann sind wir alle schlauer.

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