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Der Angeklagte, das Ferkel

Ein Mann will seine Mitbewohnerin heimlich beim Duschen filmen und muss sich dafür nun vor dem Amtsgericht Hamburg-St. Georg verantworten. Das gehört sich natürlich nicht, doch wie ausgerechnet „Bild“, die sonst regelmäßig derartig heimlich aufgenommenen Bilder tagelang abfeiert, sich diesmal als „moralische Instanz“ aufspielt, ist erschreckend. Für den geständigen Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung nicht, Persönlichkeitsrechte sind für den Autor Luca Cordes offenbar ein Fremdwort. Einige Auszüge:

Hamburg – Im feinen Zwirn und mit gegeltem Haar trat er vor die Richterin. Das Ferkel wollte Eindruck schinden …

Auf der Anklagebank im Amtsgericht Hamburg-St. Georg saß gestern der arbeitslose und notgeile Unternehmensberater Andreas W. (29). Was für ein mieser Spanner! Der gegelte Schönling verzweifelt: (…)

Die Geschichte garniert „Bild“ mit einem nicht verpixelten Foto des Angeklagten, auf dem er sich mit seiner Tasche einen kleinen Teil des Gesichts verdeckt. Bildunterschrift: „Der notgeile Schönling Andreas W. (29) gestern vor Gericht“. Offenkundig ist der „Bild“-Autor der Ansicht, dass der Angeklagte durch die Tat auch seine Grundrechte verwirkt hat. Warum sonst glaubt er, den Angeklagten nach Herzenslust beschimpfen und herabwürdigen zu können? Gilt der anerkannte Pressekodex (Ziff. 1, 8, 9, 13) nicht für die „Bild“-„Journalisten“?

Selbstverständlich ist der Angeklagte allein aufgrund dieses Fotos, zumindest allerdings dank der reichlich im Artikel vermittelten Zusatzinformationen klar für sein privates und berufliches Umfeld identifizierbar. Er wird dadurch öffentlich an den Pranger gestellt. Bereits vor einigen Monaten haben wir darauf hingewiesen, dass der Gerichtsberichtserstattung durch den Richter klarere Grenzen zu ziehen sind. Er ist im Gerichtssaal auch für den Schutz der Persönlichkeitsrechte des Angeklagten verantwortlich und hat diese zu schützen. Dazu gehört auch, dass er in derartigen „Bagatellverfahren“ keine Pressefotografen zulässt – schließlich kann er nicht sicher sein, dass die Bildaufnahmen und die Berichterstattung insoweit verfremdet werden, dass der Angeklagte nicht mehr identifizierbar ist.

Die identifizierende Berichterstattung wirkt somit wesentlich einschneidender als die staatlich auferlegte Strafe. Das Strafmonopol besitzt jedoch nicht die Presse, sondern nur der Staat.


4 Kommentare zu “Der Angeklagte, das Ferkel

  1. Wer legt denn diesen Brüdern endlich mal das Handwerk? Gibt es keine rechtliche Handhabe gegen diese Zeitung? So eine lahme Presserüge heften die doch sofort ab.

  2. Bloß wenn dann die Presse man ausgesperrt wird, geht das Gejaule vom Untergang des Rechtsstaats wieder los.

    • Nein, weil man sperrt die Presse ja nicht aus! Nur Fotografen, weil sie von Alltagsprozessen ohnehin nicht rechtmäßig berichten dürften – oder aber sie verpflichten sich vorher und für jeden Einzelfall, eine solche identifizierende Berichterstattung zu unterlassen.

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