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Niemand ist gut Anwalt in eigener Sache

Susanne Gaschke schreibt in der Welt über den Auftritt von Sebastian Edathy vor der Bundespressekonferenz, dessen „öffentliche Beschämung ein Drama“ sei, obwohl niemand Mitleid mit dem gefallenen Politiker empfinden kann – außer er selbst vielleicht. Die Autorin des Beitrags weiß wovon sie schreibt, denn sie war bis Oktober 2013 Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel und musste nach einer medialen „Hetzjagd“ wegen eines Steuerdeals zurücktreten.

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Was läuft schief in der Politik? Ihre Erfahrungen verarbeitete Gaschke im Buch „Volles Risiko“ // Foto: Heike Steinweg

Als Anwalt in eigener Sache kann man schlecht schweigen

Auch Gaschke gab in ihrem Amt als Oberbürgermeisterin Pressekonferenzen mit unglücklichem Verlauf – und prangert deshalb auch in ihrem Buch das „journalistische Übermenschentum“ an, das mit „angewiderter Faszination, aber ungebrochenem Voyeurismus“ so etwas wie Freude an der „schmierigen Edathy-Show“ empfindet. In der Sache ist ihr zuzustimmen, denn die Fragen einiger Journalisten waren unanständig, scheinheilig und unfassbar grenzüberschreitend.

Die Öffentlichkeit hat kein unbegrenztes Informationsinteresse. Daher muss niemand – auch wenn er sich selbst der Presse stellt – alle Fragen der Journalisten beantworten. Die Öffentlichkeit geht sein Intimleben nichts an – Themen wie Krankheiten oder Sexualität unterfallen der absolut geschützten Intimsphäre. Egal ob es darum geht, welche Pornofilme er sich ansieht oder ob er an einer psychischen Störung leidet, die in der Medizin mit F65.4 bezeichnet wird. Diese Journalisten sollten sich fragen, ob sie solche Themen vor der Öffentlichkeit und live im Fernsehen ausbreiten wollen würden. Im Übrigen steht jedem Beschuldigten – und das ist Edathy natürlich – ein umfassendes Recht zu, sich nicht selbst belasten zu müssen – weder in einem Gerichtssaal, aber schon gar nicht vor der Presse.

Verunglückter Befreiungsschlag

Die Pressekonferenz von Sebastian Edathy sollte vielleicht noch einmal ein „Befreiungsschlag“ werden. Der Medienwissenschaftler Hans Mathias Kepplinger nennt dies den Befreiungsschlag eines Skandalisierten, der allerdings fast immer misslingt. Nachdem die Skandalisierten die Kontrolle über sich selbst verloren und jeden Einfluss auf ihr äußeres Erscheinungsbild eingebüßt haben, schlägt der unbeirrte Trotz, der zuletzt nur noch Fassade war, in eine panikartige Unterwerfung um. In einem „Befreiungsschlag“ machen sie nun genau das, was die Wortführer der Kritiker von ihnen verlangen und was sie bis dahin selbst abgelehnt haben. Und sie machen es nicht, um Schaden zu beseitigen, den sie vielleicht verursacht haben, sondern um endlich Ruhe zu haben und das letzte noch verbliebene bisschen ihrer Ehre zu retten.

Das, wovon sich die Skandalisierten befreien wollen, ist nicht die Last der anstehenden Sachprobleme – die Auseinandersetzung mit dem eigenen Fehlverhalten – sondern der unerträgliche Druck der öffentlichen Angriffe, dem Verlust der Kontrolle über sich selbst und die Umwelt und der dadurch ausgelösten Angst. Damit das aufhört, sind sie bereit, alles zu tun, notfalls auch das, was sie eigentlich für falsch halten und was sich später häufig auch als falsch erweist.

Hätte Edathy noch Freunde, hätten die ihn sicher an dem Auftritt gehindert

Der Verlauf dieser Pressekonferenz war vorhersehbar. Es war klar, dass in den zwei Stunden die peinlichsten und schrecklichsten Dinge gefragt werden würden, dass die Presse ihn vor sich her treibt und den Finger immer wieder in die Wunde legt. Und ebenso absehbar war, dass jede Verweigerung der Beantwortung einer Frage unehrlich und ausweichend wirken musste.

Gaschke arbeitet aus dem Edathy-Auftritt drei Punkte heraus, die man daraus lernen kann:

Erstens kann niemand gut Anwalt in eigener Sache sein. Zweitens geht mit der Schande des Ehrverlustes die „Gefühlserwartung der Scham einher, will man nicht zusätzlich dafür degradiert werden, dass man sich nicht einmal schämt“, schreibt der Soziologe Sighard Neckel. Doch Edathy verfehlte es vollkommen, die „passende Emotion“ (Neckel) zu zeigen, die ihm – vielleicht – die Gnade der Öffentlichkeit eingebracht hätte. Er wirkte einfach überhaupt nicht wie jemand, dem irgendetwas leid tut, sondern wie ein Mensch, der sich selbst verfolgt und verletzt fühlt. Subjektiv ist das verständlich, angesichts der Berichterstattungshölle, durch die er geht, – aber als Pressestrategie vollkommen untauglich. Wenn, drittens, das über ihm schwebende Verfahren bedeutet, dass er sich zu keinem der ihn konkret betreffenden Vorwürfe äußern kann (und jeder Anwalt würde ihm davon abgeraten haben), warum dann eine Pressekonferenz?

Das Problem dabei: Menschen im – emotionalen – Ausnahmezustand handeln nicht rational. Hier bedarf es Menschen, die den Getriebenen daran hindern, sich freiwillig als Opfer vor die Gruppe der Jagenden zu stellen. Denn die wollen ihre Beute nur noch „zur Strecke bringen“. Es geht ab dem gewissen Punkt nicht mehr darum, mit professioneller Distanz unvoreingenommen zu berichten. Die Presse hat ihr Urteil längst gefällt; suchen eigentlich nur noch vermeintliche Beweise, die ihr gebildetes Urteil untermauern. Und das lange bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen, bevor sie die Anklageschrift kennen, bevor ein Gericht ein Urteil gesprochen hat.


3 Kommentare zu “Niemand ist gut Anwalt in eigener Sache

  1. Zum Thema „Niemand ist gut Anwalt in eigener Sache“ habe ich einen Professor sagen hören: „Wer sich als Anwalt selbst vertritt, hat einen Idioten zum Mandanten.“

  2. Das ist grundsätzlich richtig.
    Ich habe aber früher als Bürger festgestellt, dass ich noch schlechter mit Rechtsanwälten beraten bin. Jetzt als Anwalt müsste das ja genauso sein.
    Aber das scheint nicht so, weil ich jetzt Anwalt bin und dass daher kein Kollege mehr mit mir rechtlich glaubt Verfahren zu können wie er will.

    Aber Anwalt in eigener Sache geht schon von deshalb nicht:

    Ich lag einmal im Krankenhaus und beantragte Fristverlängerung. Dabei konnte ich das nur extrem krizelig schreiben, weil meine rechte Hand incl. gerade dem Daumen wegen einer OP in Gips lag und ich Rechtshänder bin und ich habe im Krankenhaus mehere Stunden für diesen einen kurzen Schriftsatz gebraucht.

    Meine Verlängerungsfrist wurde abgelehnt, weil ich diese ja selbst gestellt habe und ich daher ja in der Lage bin diese selbst zu tätigen und damit natürlich auch wenn es länger dauert in der Lage bin den Schriftsatz zu fertigen.
    Ich hatte ja für meine Kanzlei einen Vertreter benannt aber es ging um eine eigene Sache.

    Hätte das für mich incl. dem Attest ein anderer Rechtsanwaltskollege bzw. mein Vertreter eingereicht, dann hätte ich die Schriftsatzverlängerungsfrist wahrscheinlich vollkommen selbstverständlich erhalten.

    Denn, weil das ein anderer für mich macht, ist es so richtig und das kann demgemäss auch nur so richtig sein.
    Das ist psychologisch so.

    Vielleicht versteht es jemand, dass es viele psychologische Dinge gibt, die immer ein anderer für einen sagen muss, weil diese ansonsten bereits psychologisch völlig egal sind.
    Dazu kommt noch, wenn es ein anderer sagt entspricht es psychologisch mehr der Wahrheit.
    Wer glaubt, dass Juristen bei Gericht darauf nicht „reinfallen“, der irrt. Es wird vollkommen selbstverständlich darauf „reingefallen“, weil es eben gerade kein „reinfallen“ darstellt, sondern psychologisch völlig normal ist.
    Bei Gericht stellt man aber immer fest, dass es psychologisch völlig und vollständig unnormal ist, denn man kann da sogar die tatsächliche Wahrheit ermitteln.

    Dabei habe ich also gelernt, wer sich einen Anwalt für Schutzgeld kaufen kann ist klar weit im Vorteil ob selbst Anwalt oder nicht.

  3. Was ich noch sagen wollte.
    Ein guter Anwalt in eigener Sache ist man schon deshalb nicht, weil man schlecht die Wahrheit beurteilen kann, die andere sehen.
    Da habe ich bisher auch in rechtlicher Hinsicht bei Gericht kathastrophale Rechtsansichten feststellen müssen und damit kann das auch Gegenteilig sein, gerade wenn ein Rechtsfall aus dem üblichen heraussticht.

    Dabei besteht aber häufig auch das Problem, dass andere Rechtsanwaltskollen nicht für die Wahrheit kämpfen, die der Mandant selbst kennt und für einen selbst inakzeptable Komporomisse aushandeln mit Geständnissen, die nicht existieren, weil andere Menschen glauben, dass es das beste für einen ist aufgrund der gleichen Wahrheit, die auch bei der Staatsanwaltschaft und beim Gericht gesehen wird.
    Es kann sogar besser für einen sein einen faulen Komporomiss auszuhandeln.

    Aber was ich auch am Interessantesten feststellen musste und eigentlich sagen wollte.

    Wenn Anwaltskollegen sich über mich verteidigen lassen und ihre Schriftsätze selbst fertigen und ich diese nur mit meinem Namen versehe als Vertreter, die Quote des Erfolgs für diese wesentlich aber wesentlich grösser ist.

    Da würde mich jetzt der Unterschied in der Erfolgsquote und Misserfolgsquote interessieren gegenüber den Anwälten, die Schriftsätze für ihre Anwaltskollegen tatsächlich selbst machen?

    Weil der grösste Erfolg tritt meiner Erfahrung nach nur deswegen psychologisch ein, weil ein anderer die Vertretung über eine Person übernimmt, die dann sozusagen entmündigt ist.
    Der Erfolg ist um so grösser wie der Vertreter angesehen ist.
    Alles andere ist reine Psychologie von der sich Juristen am Gericht gar nicht beeinflussen lassen.

    Würden diese wissen wie diese sich dadurch beeinflussen lassen, dann würden diese wissen, dass der beste Vertreter seiner eigenen Rechte nur derjenige Angeklagte ist, der seine Rechte selbst vertritt, denn er kann es tatsächlich am besten. Alles andere ist nur Gerichtspsychologie und psychologische Beeinflussung und es sind juristische Meinungen und Gefühle. Was es eben juristisch nicht gibt aber das wichtigste Entscheidungskriterium darstellt und daher ist man sich selbst auch der schlechteste rechtliche Vertreter, denn man ist als Unschuldiger von seiner Unschuld überzeugt.
    Jetzt ist aber die Frage warum man wegen eines Rechtsverteidigers von seiner tatsächlichen Unschuld nicht mehr überzeugt sein sollte?

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