Strafakte.de

Zur Strafe Döner essen

Der Jugendrichter Andreas Müller ist bekannt für seine ungewöhnlichen Auflagen für straffällig gewordene Jugendliche. Seit Jahren kritisiert er die Jugendrichter im Justizbetrieb, die mit den jungen Tätern viel zu nachsichtig sind – dies sei auch für die Tatopfer oft ein Schlag ins Gesicht. Gestern war er als Studiogast bei Günther Jauch, um über das Jugendstrafrecht zu berichten.

Dabei gilt die Diskussion um ambulante oder stationäre Maßnahmen immer noch als zentraler Streitpunkt. Zahlreiche „Sozialromantiker“ in der Politik halten die ambulanten Maßnahmen, also alles denkbar Erzieherische für den besseren Weg: Arbeits- und Geldauflagen, Weisungen an die Lebensführung und natürlich sozialarbeiterische Hilfen. Einen Freiheitsentzug – also ein stationäre Maßnahme – halten sie dagegen für eine Kapitulation der Justiz.

Dazu meint Jugendrichter Müller: „Kapitulation ist für mich, wenn der Staat sich als zahnloser Tiger erweist, selbst bei härtesten Körperverletzungen wieder und wieder Milde walten lässt und auch, wenn eine Jugendstrafe gar nicht mehr zu verhindern ist, diese zumindest noch zur Bewährung aussetzt“. Nicht zuletzt diese Einstellung hat ihm auch den Titel als „Deutschlands härtester Jugendrichter“ eingebracht. Das ist natürlich Quatsch – veranschaulicht aber recht deutlich die Stimmungslage.

Jugendrichter Andreas Müller - Wider Gewalt: Richter, Recht, Gerechtigkeit, Jugendstrafrecht

Jugendrichter Andreas Müller ist weit über die Grenzen Berlin hinaus bekannt   // Foto: RTL / Die große Reportage

Was fehle, sei nach Müllers Ansicht ein ausdifferenziertes Arsenal an stationären Maßnahmen. Verhängt er eine Jugendstrafe, müsse diese mindestens sechs Monate betragen. Oft wären nur zwei Monate ausreichend, um den erzieherischen Gedanken des Jugendstrafrechts „sinnvoll“ umzusetzen, schreibt er in der Welt am Sonntag.

Seinen guten Ruf haben ihm aber vor allem kreative Strafen eingebracht: Einen jugendlichen Nazi-Schläger, der „Sieg Heil“ und „Ausländer raus“ gerufen hat, zu einer Geldbuße und ein paar Arbeitsstunden zu verurteilen ist sicherlich nicht falsch. Ihn jedoch zusammen mit einem Sozialarbeiter nach Kreuzberg zu schicken, wo er dann den ersten Döner seines Lebens essen durfte, ist eine Maßnahme die nachhaltig Wirkung entfaltet.

Ein solch kreativer Umgang mit Recht und Gesetz erweise sich aber oft als schwierig, wie auch die 2010 verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig erleben musste – gerade in den eigenen Reihen stoße man damit auf Widerstand. Die Auseinandersetzung mit einem Einzelschicksal erfordert in erster Linie Zeit, gerade die fehle aber oft angesichts der hohen Fallzahlen. Aus diesem Grund werden auch teils heftige Körperverletzungen einfach eingestellt, wenn parallel weitere Verfahren laufen (was häufig der Fall ist) oder vor der Anklageerhebung erheblicher Ermittlungsaufwand zu erwarten sei.

„Ich schätze, dass in Deutschland jährlich Zehntausende Verfahren gegen Straftäter zur Entlastung der Strafjustiz, zu Gunsten der Täter und zu Lasten der Opfer eingestellt werden. Dass dies letztendlich die Begehung mehrerer Taten nach dem Motto ‘Auf einen Nasenbruch mehr oder weniger kommt es nicht an‘ begünstigt, dürfte jeder nachvollziehen können“.

Heute erscheint das Buch „Schluss mit der Sozialromantik! Ein Jugendrichter zieht Bilanz“ von Jugendrichter Andreas Müller. Der gesamte Artikel ist in der Welt am Sonntag zu lesen.