Strafakte.de

Ich kann es erklären …

Rechtsanwalt Hänsch aus Dresden fragte heute, ob ihm jemand erklären kann, warum ein Vergleich zwischen NSA/Prism/Tempora und der Stasi unzulässig sein soll? Er bezieht sich damit auf ein Zitat von Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview mit „Die Zeit“:

Für mich gibt es überhaupt keinen Vergleich zwischen der Staatssicherheit der DDR und der Arbeit der Nachrichtendienste in demokratischen Staaten. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, und solche Vergleiche führen nur zu einer Verharmlosung dessen, was die Staatssicherheit mit Menschen in der DDR angerichtet hat.

Über die „Nichtzulässigkeit“ eines solchen Vergleichs lässt sich natürlich trefflich streiten. Was ist schon „nicht zulässig“? Die Eingriffsreichweite war bei der Staatssicherheit der DDR einfach ungleich weiter. Durch das allgegenwärtige Überwachungssystem mit seinem Netzwerk von inoffiziellen Mitarbeitern war die Meinungsfreiheit praktisch abgeschafft. Sämtliche Kritik an der Staatsführung oder deren Machtapparat war zu unterlassen (hier kann man „unzulässig“ sagen) – und zwar sowohl öffentlich als auch nur im engsten Freundes- und Bekanntenkreis. Es gab tatsächlich keine Privatsphäre, kein vertrauliches Gespräch. Wenn doch, hätte es sein können, dass schon am nächsten Tag ein unscheinbarer grauer Barkas B1000 (ohne Fenster) vorfuhr und den Meinungsäußerer zur „Aufklärung eines Sachverhaltes“ mitnahm. Die dann folgenden Vernehmungen waren bekanntermaßen nicht im Ansatz rechtsstaatlich.

Gefangenentransporter des Untersuchungsgefängnisses der Staatssicherheit / Foto: Anagoria (CC BY 3.0)

Ein Beispiel: Heute kann jeder frei seine Meinung kundtun, wie er die Politik von Angela Merkel und der Bundesregierung oder die von Barack Obama findet. Es gibt Blogs und soziale Medien – jeder kann in tausend erdenklichen Formen seine Meinung äußern. In Deutschland, Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika und anderen demokratischen Staaten dieser Welt läuft man deswegen auch nicht Gefahr am nächsten Morgen verhaftet und wegen Volksverhetzung angeklagt zu werden. In anderen Ländern – den lupenreinen Demokratien – kommt dies leider auch heute noch vor.

Man könnte nun Guantanamo als Beispiel anführen. Ja, richtig – von Rechtsstaatlichkeit kann man dort auch nicht sprechen. Aber zumindest ist mir kein Fall bekannt, dass jemand wegen einer bloßen Meinungsäußerung oder Beleidigung eines Staatsoberhaupts dorthin verbracht wurde. Natürlich werden die Grundrechte durch Prism/Tempora beschnitten – in einer Art und Weise, die man keinesfalls gutheißen kann. Aber zwischen dem bloßen (also folgenlosen) Abhören und einem „sofortigen Eingriff“ wegen einer Meinungsäußerung mit anschließender Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe oder anderen Repressalien (Verlust des Arbeits- oder Studienplatzes, Kindesentziehung wegen Kindeswohlgefährdung) liegt schon noch ein überaus großes Stück verfassungsrechtlich garantierter Freiheit.


2 Kommentare zu “Ich kann es erklären …

  1. Das ist in dieser Pauschalität leider falsch dargestellt, wobei man durchaus die betreffende Zeit berücksichtigen muss. Es mag – auch in Folge von 17. Juni und Mauerbau – in den Endfünfzigern und den Sechzigern durchaus so gewesen sein, das kann ich mangels eigener Erfahrung aus dieser Zeit nicht beurteilen. Jedenfalls in den 80ern – die ich aktiv erlebt habe – wurde man nicht abgeholt und weggesperrt, wenn man eine negative Meinung über die Regierung und deren Verhalten äußerte. Sicher ist – und deswegen will ich die DDR und das von ihr begangene Unrecht keineswegs relativieren – dass man sich überlegen musste, wem man was sagt. Der Zensor saß somit im Kopf. Aber es ist wohl schwierig, eigenes Erleben der DDR und mediale Aufbereitung insbesondere der Stasi und damit Erleben der DDR von früheren Bundesbürgern unter einen Hut zu bringen.

  2. Man sollte nicht alle Schauermärchen über die DDR und die StaSi glauben. Ich habe nach der Wende auch meine Akten eingesehen und war sehr verwundert und auch etwas enttäuscht, wie wenig über mich zu finden war. Dabei war ich noch nicht mal ein treuer Anhänger (u.a. 6 Monate Haft wegen angeblicher Vorbereitung zum ungesetzlichen Verlassen der DDR. Meine Meinung habe ich immer offen vertreten. Selbst 1981-1982 als ich wegen Hören von westlichen Radiosendern in einem sozialistischen Lehrlingswohnheim Ärger mit der Leitung hatte, wurde nur vorübergehend mein Kofferradio einezogen. Sonstige Konsequenzen hatte das nicht. Natürlich hörte ich auch nicht auf, sondern hörte weiter. Mit dem stellvertretenden Heimleiter diskutierte ich über mein Recht auf Informationsfreiheit aus allen Quellen, auch von westlichen Radiosendern ! Auch später, privat oder im Betrieb, waren wir nicht besonders vorsichtig in der Rede, sondern ganz offen. Es ist mir aus meinem privaten Bereich, oder von Kollegen, kein Fall bekannt, wo das Konsequenzen hatte.
    Man sollte auch die damaligen politischen und militärischen Gegebenheiten der beiden unterschiedlichen Militärbündnisse und Wirtschaftssysteme berücksichtigen. Sicherlich waren die von StaSi keine Klosterschüler, aber im Vergleich zu anderen westlichen Geheimdiensten der reinste Kaninchenzüchterverein. Rechtliches Unrecht gab es in beiden Staaten und Diensten, sowohl damals, als auch heutzutage. Auch Abhören war ja nicht nur ein Hobby der östlichen Organisationen.
    Diese Transporter auf dem Bild wurden auch nicht nur der StaSi benutzt. Das waren normale Gefangenen Transporter auf kurzen Strecken. Über längere ging es mit der Bahn.

Keine Kommentare zugelassen