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Frauen sind nicht beleidigungsfähig

Nein, dies wird kein Artikel über die Emanzipationswelle nach dem #Aufschrei – und auch kein Stück über Gender Studies. Im Gegenteil: Es geht um einen Blick zurück ins Jahr 1978 und das Nachrichtenmagazin „stern“, einige Jahre bevor dieses die Hitler-Tagebücher „entdeckte“.

Das zeitgeschichtliche Magazin „Eines Tages“ auf Spiegel Online widmet sich den sexistischen Titelblättern des Magazins „stern“ und die dagegen gerichtete Klage von Alice Schwarzer vor der Pressekammer des Hamburger Landgerichts unter dem Vorsitz von Manfred Engelschall.

Titel des „stern“ Ausgabe 25/1977 // Foto: André Gelpke/stern

Am 14. Juli 1978 begann in Hamburg Deutschlands erster Sexismus-Prozess. Neun Frauen um die „Emma“-Chefredakteurin verklagten die auflagenstärkste Illustrierte des Landes und stieß damit auf ein riesiges öffentliches Interesse. „Emma“ kündigte der eigenen Leserschaft einen exemplarischen Prozess an, eine Art „Tribunal für die gesamte Männerpresse, die die Haut der Frauen zum Markte trägt“. Den „stern“ traf es aus aktuellem Anlass und „weil er grundsätzlich den Anspruch hat, für die Rechte und die Freiheit aller einzutreten, gleichzeitig aber die Menschenwürde aller Frauen mit Füßen tritt“.

Auch „Der Spiegel“ berichtete damals über den Prozess. Unter dem Titel „Die Frauen schlagen zurück“ fragte Rudolf Augstein, „ob die Photographen von zensurgierigen Emanzen gegängelt werden wollen“? Richtig ernst nehmen wollte oder konnte er die „Klageweiber“ nicht, jedoch fürchtete er um nicht weniger als die Pressefreiheit und ebenso die politische Rechtsordnung des Landes. Den Prozessauftakt nutzten die Parteien zur Selbstdarstellung – „stern“-Anwalt Heinrich Senfft erklärte, lediglich aus Respekt vor dem Gericht überhaupt erschienen zu sein. Diese Klage sei ein Jux, eine „Werbeveranstaltung für die in ihrer Auflage sinkenden Zeitung ‚Emma’“, die von der Rechtsanwältin Gisela Wild vertreten wurde. Dieser Schlagabtausch der Parteien wurde jeweils mit Applaus und Buh-Rufen von den Zuschauerbänken kommentiert.

Am 26. Juli verkündete Richter Manfred Engelschall das Urteil: Die Klage wurde abgewiesen. In der Urteilsbegründung schien der Richter das zu bedauern: „Es tut uns fast leid, dass Sie nicht gewonnen haben.“ Juristisch aber sei der Fall unstrittig. Beleidigen könne man in erster Linie nur einzelne Menschen. Eine größere Anzahl von Personen sei nur dann beleidigungsfähig, wenn die Gruppe abgrenzbar aus der Allgemeinheit hervortritt. Für Frauen, die die Mehrheit der deutschen Bevölkerung darstellten, sei das nicht gegeben. Dennoch bewundere er das Engagement der Klägerinnen.

Yvonne Schymura, in „Eines Tages“: „Emma“ vs. „Stern“ – Angriff auf die Männerpresse

Auch heute noch werfen einige „Unbelehrbare“ der Pressekammer so etwas wie „Zensur“ vor, bezeichnen sie sogar als „Zensurkammer“. Sicherlich nur solange bis sie selbst ins Zentrum einer unwahren Berichterstattung geraten … dann schreien Sie nach dem Rechtsstaat.


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