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Digitalisierung der Strafjustiz verschoben

Heimlich, still und leise soll nun eine „Opt-out“-Regelung geschaffen werden, die es ermöglicht, im Verordnungswege auch nach dem 1. Januar 2026 die Anlage und (Weiter-)Führung von Strafakten in Papierform zu gestatten. Digitale Strafakte (eAkte) ade! Dies hat das Bundesministerium der Justiz in einer Pressemitteilung bekannt gegeben und ich vermisse irgendwie den Aufschrei.

Zehn Jahre Zeit für die Umsetzung

2017 wurde das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz verabschiedet, demzufolge hatten die Länder fast zehn Jahre (!) Zeit für deren Einführung. Nun beklagt der Bund Deutscher Kriminalbeamter die „Bananensoftware“, die unausgereift für die tägliche Arbeit sei.

eAkte: Einführung der digitalen Strafakte verschoben
Wenn die eAkte bloß so intuitiv funktionieren würde! Foto: Suelzengenappel/Adobe Stock

Hat es 2018 wen interessiert, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach („beA“) nicht (ansatzweise) funktionstüchtig war? Oder als 2022 tatsächlich damit gearbeitet werden musste, aber der neue Anbieter noch damit beschäftigt war die Mängel seines Vorgängers zu beseitigen? Inzwischen hat sich das beA (meiner Auffassung nach) weitestgehend stabilisiert und sogar die beA-App eignet sich für die Benutzung (man kann endlich auch das EB hierüber absenden!).

Insgesamt scheint die Digitalisierung in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt zu werden, einige schicken weiterhin jedes Schreiben mit der Post, andere setzen in der Kommunikation glücklicherweise komplett auf digitale Kommunikation über das beA und – vor allem die Landgerichte – das Akteneinsichtsportal.

Auf unbestimmte Zeit verschoben?

Wie soll es weitergehen? Bis zum 1. Januar 2027 soll nun erst einmal die „Opt-out“-Regelung verabschiedet werden (der Gesetzentwurf liegt bereits vor), hierzu werden § 32 Abs. 1 StPO und das Einführungsgesetz zur StPO neuerlich geändert bzw. ergänzt. Ausnahmsweise können dadurch Akten bis zum 31.12.2026 weiterhin in Papierform geführt werden (§ 15 Abs. 2 EGStPO n.F.).

Wir Strafverteidiger werden also weiterhin geduldig auf die Digitalisierung der Strafjustiz und auf die eAkte warten müssen. Das verwundert bei all den Problemen, die es mit der eAkte ohnehin schon gibt, leider nicht besonders: Wer kennt nicht die 300-seitigen Akten, die in 300 einzelnen PDF-Seiten kommen und mühevoll verbunden werden müssen, um halbwegs vernünftig damit arbeiten zu können. Ein kleiner Tipp: Es gibt eine OpenSource-Software namens XJustiz Viewer, der die beigefügten XML-Dateien auslesen und die Akten dann sortiert zur Ansicht bereitstellt.

XJustiz Viewer (openXJV) Screenshot – kostenlos, quelloffen, plattformunabhängig für die eAkte

Keine so schöne Lösung gibt es für die Texterkennung von PDF-Dateien, die ohne Texterkennung gescannt und versandt wurden, was leider viel zu häufig vorkommt. Zumindest habe ich hier keine kostenlose Software (für ) mit halbwegs vernünftiger Usability gefunden. Für Tipps wäre ich sehr dankbar! Früher war OCRKit mein Favorit, das leider nur für Intel-Macs verfügbar ist.

Ein unendlicher Nervkram sind auch die verschlüsselten DVDs/Blurays, die mit den abseitigsten Verschlüsselungen daherkommen und man auf das Passwort (per Fax!) wartet, das dann immer mit lauter zweideutigen Buchstaben daherkommt. Hieraus folgt meine persönliche

Top 3 Probleme mit eAkten der Justiz

  1. Akten in X Bänden und PDF mit XXX Einzelseiten
  2. PDF-Dateien ohne Texterkennung
  3. Verschlüsselte Datenträger mit uneindeutigen oder falschen Passwörtern (per Fax!)

Aber gleichzeitig ist alles besser als eine Strafakte in Papierform!

Mich würde ein Meinungsbild interessieren: Arbeiten die Kolleginnen und Kollegen gerne noch mit der Papierakte oder bereits digital (mit eigener Digitalisierung). Und wie hoch ist der Anteil der Akten, die bereits von der Justiz digitalisiert in der Kanzlei ankommen?

Schreiben Sie es mir gerne in die Kommentare!

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3 Kommentare zu “Digitalisierung der Strafjustiz verschoben

  1. Was in diesem Text noch fehlt ist die schwierige Kommunikation mit der Polizei per Fax (!), die häufig nicht funktionieren, aber E-Mail kein sicherer Übertragungsweg ist. Man kann nur hoffen, dass es bald eine Anbindung an das beA gibt!

  2. Vielen Dank für die Erwähnung von openXJV.
    Das Programm bringt die Texterkennung – zumindest unter Windows und Linux – für die komplette Akte, einzelne Dokumente der Akte und unter „Datei“ > „Texterkennung“ sogar für beliebige Dokumente außerhalb der Akte bereits mit. Hierfür wird auf Tesseract zurückgegriffen.
    Prinzipiell sollte das auch im Apple-Ökosystem aus der Anwendung heraus funktionieren, sobald Tesseract – z. B. mittels „Homebrew“ – installiert wurde und als „tesseract“ im Terminal aufgerufen werden kann. Leider habe ich keinen Zugriff auf entsprechende Ressourcen – Daher bleibt es unter macOS wohl vorerst bei diesen für den technischen Laien unbefriedigenden Informationen.

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