Strafakte.de

Besonderes elektronisches Anwaltspostfach ab 2016

Man sagt Juristen nach, dass sie ein Faible für verschwurbelte, sperrige Begriffe haben. Neustes sprachliches Ungetüm: das besondere elektronische Anwaltspostfach – oder kurz: beA.

165.000 Rechtsanwälte müssen mit Anwaltspostfach ausgestattet werden

Den Großauftrag der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zur Realisierung des elektronischen Anwaltspostfachs ging im freihändigen Vergabeverfahren an den französischen Dienstleister Atos, wie LTO aus gut unterrichteten Kreisen erfahren haben will. Das Unternehmen soll bis zum 1. Januar 2016 für jeden zugelassenen Rechtsanwalt in Deutschland (etwa 165.000) ein solches elektronisches Postfach einrichten, das natürlich gleichermaßen benutzerfreundlich wie sicher sein sollte. Ob dieses Ziel zu realisieren ist, darf noch berechtigt angezweifelt werden.

bea, besonderes elektronisches Anwaltspostfach, Anwaltspostfach, besonderes, elektronisches, Postfach, E-Mail, Kanzleisoftware

Das besondere elektronische Anwaltspostfach beA soll ab 2016 verpflichtend sein // Foto: pepsprog / pixelio.de

Ab 01.01.2016 verpflichtet das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs alle in Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, gem. § 31a BRAO das Postfach einzurichten, über das die elektronische Kommunikation abgewickelt werden kann.

Integration in die bestehende Kanzleisoftware

Das Postfach soll nach der Leistungsbeschreibung eine sichere Kommunikation vor allem mit der Justiz gewährleisten und in vorhandene Kanzleisoftware-Systeme integriert werden – und genau hier werden die Probleme mit der Kompatibilität liegen. Der Software Industrieverband Elektronischer Rechtsverkehr e.V. kritisierte bereits jetzt die fehlende Transparenz, denn bislang sind weder die technischen Anforderungen, welche erfüllt sein müssen, noch deren Umsetzung oder die geplante Einbettung in vorhandene Infrastrukturen in den Kanzleien bekannt.

Der Blick auf eine andere verpatzte Einführung sei erlaubt: So fristet der neue Personalausweis noch heute ein Schattendasein, ist eigentlich für nichts zu gebrauchen – übrigens genauso wie die Software, die zumindest mit dem Apple Betriebssystem MacOS X nicht brauchbar ist. Dabei war der neue Personalausweis angetreten, zur „wichtigsten Karte“ zu werden.

Es bleibt zu hoffen, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach beA nicht ähnlich Schiffbruch erleidet. Die Zeit zur Umsetzung ist jedenfalls knapp bemessen.


11 Kommentare zu “Besonderes elektronisches Anwaltspostfach ab 2016

  1. Ich halte nicht viel davon einen neuen Standard durchzusetzen. Ich glaube jeder hat neben seinem Outlook auch noch sein Iphone zum Mailabruf bereit. Da geht schon nichts Wichtiges verloren.

    • Es geht auch weniger darum, dass „etwas verloren geht“, sondern vielmehr darum, dass die Justiz rechtssicher elektronisch zustellen kann.

  2. Wieso versendet man nicht einfach emails mit pgp-Verschlüsselung und Empfangsbekenntnis? Das würde genauso sicher gehen, wie der heutige einfache Brief, man könnte auf bewährte Technik zurückgreifen und email ist mittlerweile sehr gut in bestehende Arbeitsabläufe/Programme integriert.

    Kosten für die Einführung? Ein Bruchteil dessen, was jetzt auf den Steuerzahler hinzukommt.

    • Das wäre sicherlich eine Möglichkeit. Aber ist der Justiz zuzumuten, u.U. sich ändernde E-Mail Adressen aller Rechtsanwälte zu verwalten bzw. ist es der Anwaltschaft zuzumuten, dass dann wichtige E-Mails nicht eintreffen, weil eben die Verwaltung nicht funktioniert hat? Ich sehe da gegenseitige Überforderung.

      • @Strafakte.de: Warum sollte das denn die Justiz machen müssen? Die Verwaltung könnte die BRAK übernehmen. Oder man könnte eine zentrale Verwaltung auch weglassen und die Überprüfung, ob der Einreichende Anwalt ist, erst auf Rüge der Gegnerpartei vornehmen – und bis dahin darauf vertrauen, dass derjenige auch Anwalt ist, der in einem Verfahren mit Anwaltszwang einen Schriftsatz einreicht (so wie es bei den Papierakten heute ja auch praktiziert wird). Mich hat in den vergangenen bald 11 Jahren noch nie ein Richter nach einem Nachweis meiner Zulassung gefragt. Warum wird beim elektronischen Rechtsverkehr dann ein solcher Aufwand betrieben?

        Ich bin ja gespannt, sobald erste Details von Atos/BRAK kommuniziert werden. Wenn das auf meinem Mac halbwegs läuft – prima. Wenn nicht, dann werde ich mal nachdenken, was denn die gesetzlichen Regelungen zur Haftung (bzw. Nichtentlastung) des Vorstandes bei fehlgeschlagenen, aber wahrscheinlich kostenintensiven, Projekten hergibt.

        @Kollege Hellinger: Kosten für den Steuerzahler? Wohl erst bei Einführung für die Gerichte. Die Kosten des beA werden alleine bei der Anwaltschaft landen (und wenn das dann eine Totgeburt wird [was ich für nicht unwahrscheinlich halte] wurde sinnlos eine Menge Geld verbrannt…

  3. „Es gibt zwei Arten von großen Firmen in den USA: diejenigen, die von den Chinesen gehackt worden sind, und diejenigen, die nicht wissen, dass sie von den Chinesen gehackt worden sind.“ – so FBI-Chef Comey laut SPON heute.

    Zur epidemischen Industriespionage ( jeder gegen jeden ) gesellt sich in jüngerer Zeit die elektronische Kriegführung ( etwa USA/Israel–Iran und umgekehrt, oder jeweils USA / Russland gegen alle anderen und gegenseitig und so weiter…) in einem www=worldwidewar, so dass man eigentlich nur empfehlen kann, seine ganze E-Mail-Kommunikation einzustellen und die Rechner vom Netz abzukoppeln, auch um die Geheimnisse der Mandanten schützen zu können.

    Vermutlich wird es am Ende nicht so schwer sein, das System von Atos zu knacken. Wenn es außer zu pädagogischen Zwecken eingesetzt wird.

  4. Ich möchte auf eine Veranstaltung des „AK EDV & Recht“ in Köln am 30.09.2015 aufmerksam machen. Dort bewertet ein Referent das beA aus technischer Sicht und ein Fachanwalt für IT-Recht aus jurostischer Sicht und klärt u.a. wohl auch die Frage, ob alle Rechtsanwälte tatsächlich das beA benutzen müssen, oder ob es mythos ist.

    Hier ist der Link zu Informationen und zur Anmeldung: http://www.akeur.de

    Viel Spar,

    RA Roman Pusep
    (WERNER RI)

  5. Liebe Kollegen,

    es dürfte allen Rechtsanwälten spätestens seit dem Rundschreiben der Bundesrechtsanwaltskammer am 31.08.2015 bekannt sein, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zum 01.01.2016 (empfangsbereit!) eingerichtet wird. Bislang haben sich allerdings nur sehr wenige Fachbeiträge mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit diese empfangsbereite Einrichtung des beA ab dem 01.01.2016 überhaupt rechtmäßig ist.

    Wir, WERNER Rechtsanwälte Informatiker,

    – haben erhebliche Bedenken, ob die von der BRAK angekündigten Praxis rechtmäßig ist, dass alle beA ab dem 01.01.2016 elektronische Nachrichten empfangen können, auch wenn ein Rechtsanwalt die Erstregistrierung nicht durchgeführt hat und

    – erachten die Rechtsansicht für nicht zutreffend, es gäbe eine passive Überwachungspflicht für das beA unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten.

    Auf unserer Homepage findet Ihr unsere ausführliche Stellungnahme (im PDF-Format). Gerne könnt Ihr diese Stellungnahme an andere Kollegen, interessierte Personen oder Unternehmen zur Lektüre weitergeben oder aber uns bei Fragen anrufen.

    http://www.werner-ri.de/rechtsnews/news/news/die-brak-darf-das-bea-eines-rechtsanwalts-ab-dem-01012016-nicht-ohne-dessen-erstregistrierung-empf/

  6. Dass in diesem – für die Justiz – kurzen Zeitraum ein für alle Betriebssysteme funktionierender Standard auf die Beine gestellt werden kann, halte ich für sehr gewagt… Ich sehe mich schon gezwungen, irgendeine Windows-Partition auf meinem Mac zu erstellen…

Keine Kommentare zugelassen