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Versammlungsfreiheit in Schleswig-Holstein in Gefahr?

Nach der Föderalismusreform fällt das Versammlungsrecht in die Gesetzgebungskompetenz der Länder, die allerdings ohne eigenes Gesetz das bestehende Bundesgesetz weiter gelten lassen können. Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben bereits von ihrer Kompetenz Gebrauch gemacht und eigene Versammlungsgesetze verabschiedet. Nun wollen auch die Schleswig-Holsteiner nachziehen.

Foto: Fionn Große / pixelio.de

Was SPD, Grüne und SSW dort in Schleswig-Holstein auf den Weg bringen wollen, würde die Versammlungsfreiheit im Vergleich zum geltenden Bundesrecht massiv einschränken. Dass sich jetzt ausgerechnet Die Grünen S-H, die so entscheidend an der Fortentwicklung der bundesdeutschen Demonstrationskultur mitgewirkt haben, der Versammlungsfreiheit nun die Keule des Strafrechts entgegensetzen wollen, ist schon mehr als verwunderlich. Sind die Proteste um Brokdorf wirklich schon vergessen?

Die Piratenpartei listet im Einzelnen auf, wie die Versammlungsfreiheit beschnitten werden soll – und das geht noch wesentlich weiter als das umstrittene Bayrische Versammlungsgesetz:

  • Die Teilnehmer an größeren Demonstration sollen zukünftig per Hubschrauber, Mini-Drohne oder Kamerawagen videoüberwacht werden dürfen, selbst wenn von ihnen keinerlei Gefahren ausgehen. Anhand der Aufnahmen sollen Strafverfahren eingeleitet und Geldbußen verhängt werden.
  • Geplant sind deutlich höhere Strafen (zB bei Sitzblockaden) von bis zu 1.500 Euro statt bisher 500 Euro.
  • Polizeibeamte sollen künftig auch eingesetzt werden können, ohne sich erkennen geben zu müssen (verdeckter Einsatz).
  • Der „geplante Ablauf“ mit Ort, Zeit, Thema und beabsichtiger Steckenverlauf soll bereits bei der Anmeldung einer Versammlung verbindlich anzugeben sein.
  • Die Frist zur Anmeldung von Demos soll von zwei auf bis zu fünf Tage verlängert werden können.
  • Personen, die eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ darstellen (könnten), soll präventiv die Anreise und Teilnahme untersagt werden.
  • Versammlungsleiter und Ordner sollen anhand von Name und Anschrift auf ihre „Eignung“ hin überprüft und abgelehnt werden können. Nach welchen Kriterien das erfolgen soll ist völlig unklar, weil im Bundesgesetz nicht vorgesehen.

Aufgrund der vielen unklaren Formulierungen und deren Unbestimmtheit kritisiert auch der Richterbund Schleswig-Holstein den Gesetzentwurf und hält diesen für unpraktikabel.

Eine Gegenüberstellung der landesspezifischen Regelungen anderer Bundesländer und dem Muster-Entwurf eines Versammlungsgesetzes im Vergleich zu dem Gesetzesentwurf stellt der Wissenschaftliche Dienst des Landtags Schleswig-Holstein bereit.

Dieses Beispiel des Versammlungsrechts veranschaulicht auch sehr schön, dass das was man als (außer-) parlamentarische Opposition einst forderte, nicht mehr so einfach umzusetzen ist, wenn man die Regierungsverantwortung übernimmt.