Strafakte.de

Auslieferungsverfahren durch die Schweiz

Die Verteidigung in Auslieferungsverfahren gestaltet sich meist schwierig. Für alle derartigen Verfahren gilt, dass der Betroffene von etwaigen Ermittlungen nichts erfährt und der Verteidiger demzufolge nur auf die Ermittlungsbehörden zugehen kann, wenn er ein Festnahmeersuchen „erahnen“ kann. Das wird allerdings nur selten der Fall sein.

Auslieferungsverfahren innerhalb der EU funktionieren seit der Einführung des Europäischen Haftbefehls im Jahr 2004 ohne größere formale Hürden – die Justizbehörden können direkt zusammenarbeiten ohne dass es eines komplizierten diplomatischen Verfahrens bedarf. Zwar wurde das Gesetz zum Europäischen Haftbefehl durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2005 für nichtig erklärt (2 BvR 2236/04), seit 2006 gilt jedoch das Europäische Haftbefehlsgesetz (EuHbG). Bei den vom Europäischen Haftbefehl umfassten Delikten – von Betrug über Produktpiraterie bis zu Terrorismus – wird nicht einmal mehr die Strafbarkeit in beiden Staaten geprüft. Es genügt, wenn der Tatvorwurf behauptet wird. Dies betrifft sogar die Auslieferung eigener Staatsangehöriger. Zur Strafvollstreckung wird jedoch weiterhin nur ausgeliefert, wenn der Verfolgte dieser auch zustimmt.

Für die übrigen Staaten in Europa, die nicht der Europäischen Union angehören, gilt nach wie vor das Europäische Auslieferungsübereinkommen von 1957, teilweise ergänzt um nationale Vorbehalte und Erklärungen zu einzelnen Vorschriften bzw. bilaterale Vereinbarungen – etwa zwischen Deutschland und der Schweiz. Hält sich somit die gesuchte Person in der Schweiz auf, gestaltet sich das Auslieferungsverfahren für die deutsche Behörden schwieriger, insbesondere in Steuerdelikten: Die Schweiz unterscheidet nämlich zwischen einfacher Steuerhinterziehung – dort lediglich eine Ordnungswidrigkeit – und einem Steuerbetrug durch Vorlage gefälschter Unterlagen. Nur das ist eine Straftat, auf die sich ein Auslieferungsgesuch stützen kann. Durchbrochen wird das Prinzip lediglich bei einzelnen Steuerarten wie der Umsatzsteuer.

Andere Wirtschaftsstraftaten sind nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch weitgehend mit den deutschen vergleichbar. Wer sich etwa wegen eines Anlagebetruges in Deutschland in der Schweiz aufhält, muss damit rechnen, durch ein deutsches Auslieferungsersuchen erfolgreich nach Deutschland überstellt ist.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.11.2013
(Dr. Heiko Ahlbrecht)