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Späte Einsicht bei der Staatsanwaltschaft Mannheim

Die Staatsanwaltschaft Mannheim, die zweitgrößte in Baden-Württemberg mit 130 Mitarbeitern, hat mit Alexander Schwarz einen neuen Leitenden Oberstaatsanwalt (LOStA) bekommen. Das allein wäre eine wenig spannende Nachricht, hätte er sich nicht erfreulich deutlich über die Verfehlungen der Anklagebehörde in der Vergangenheit geäußert.

Keine verfolgungswütigen Bluthunde

Das Image der Staatsanwaltschaft Mannheim sei zumindest angekratzt und habe auch durch die Paukenhiebe in den Medien enorm gelitten hat. Insbesondere im Ermittlungsverfahren und der öffentlichen Hauptverhandlung gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann hagelte es Kritik: „Nicht gerechtfertigt“ sei das gewesen, sondern eine von wesentlichen Teilen der Medien aufgebauschte Kampagne, die nichts mit der Realität zu tun gehabt habe, äußerte sich der neue Behördenleiter gegenüber dem „Mannheimer Morgen“. Er wolle nun gegen das zweifelhafte Image ankämpfen und könnte über dieses Thema – wie er sagt – „stundenlang referieren“.

„Wir sind keine verfolgungswütigen Bluthunde“, betont er, 70 Prozent aller Verfahren würden eingestellt. „Unsere Aufgabe ist es, als objektive Behörde einen Sachverhalt dahingehend zu überprüfen, ob es Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verfolgung gibt. Und das heißt nicht, dass wir automatisch Gegner des Angeklagten sind.“

Verfehlungen der Staatsanwaltschaft Mannheim im Fall Kachelmann

Die Staatsanwaltschaft Mannheim war aufgrund ihres – freundlich formuliert – übersteigerten Ermittlungseifers gegen Kachelmann in Verruf geraten. Dazu zählte insbesondere eine jedenfalls missverständliche Pressemitteilung, dass an einem Messer – welches das Tatmesser gewesen sein soll – hätten sich neben weiblicher DNA auch Spuren männlicher DNA gefunden.

Dokumentation zum Fall Kachelmann – zur Frage des Tatmessers ab Minute 2:30 und Minute 27:20
 

Die Staatsanwaltschaft hat die Öffentlichkeit von Anfang an in die Irre geführt, mit ihren öffentlichen Äußerungen. Sie hat das Gegenteil dessen behauptet, was Realität war.
(Sabine Rückert, „Die Zeit“)

Von den Medien war diese Meldung als Beweis für eine Schuld Kachelmanns verbreitet worden, denn jeder weiß, dass DNA-Spuren einen Täter nahezu zweifelsfrei überführen. Ausdrücklich nicht mitgeteilt hatte die Staatsanwaltschaft jedoch, dass sich diese Spuren gerade nicht dem Angeklagten zuordnen ließen und erweckten somit in breiten Teilen der Öffentlichkeit das Bild, der Angeklagte wäre der Vergewaltigung überführt.

Alexander Schwarz war bisher Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Heidelberg und übernimmt in Mannheim das Amt von Alexander Frenzel, der Ende August mit 68 Jahren in den Ruhestand getreten ist.


3 Kommentare zu “Späte Einsicht bei der Staatsanwaltschaft Mannheim

  1. Ganz zutreffend erscheint mir die Darstellung der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft Mannheim nicht. Soweit ich der Berichterstattung in der Zusammenschau entnehmen konnte, gab es nicht etwa eine „Pressemitteilung“ des Inhalts, an dem Messer sei auch männliche DNA gefunden worden, wobei unterschlagen worden wäre, dass diese dem Angeklagten gerade nicht zugeordnet werden konnte.

    Vielmehr war es wohl so, dass die Staatsanwaltschaft eine Presseanfrage schriftlich beantwortet hat; das muss sie tun, weil das zu ihren gesetzlichen Pflichten nach dem Landespressegesetz gehört. Der genaue Text der Anfrage wie auch der Antwort ist mir nicht bekannt, ist aber für die Beurteilung durchaus von Bedeutung. Denn der Sachverhalt stellt sich wohl auch nicht so da, dass die männlichen DNA-Spuren dem Angeklagten nicht zugeordnet werden konnten im Sinne eines Ausschlusses, sondern dass die Spuren durchaus zu dem Angeklagten passten – nur eben so minimal waren, dass diese Aussage von keiner besonderen Bedeutung war, weil sie neben ihm auch auf eine Vielzahl anderer Männer passten, eine eindeutige Identifizierung mithin nicht möglich war (was bei DNA-Mischspuren am Rande der Nachweisgrenze nicht unüblich ist).

    Insofern spricht vieles dafür, dass die Antwort der StA Mannheim richtig war. Ob sie auch ausführlich genug war, um Missverständnisse bei Laien zu vermeiden, oder die Fehlinterpretation einer richtigen Antwort eine Recherchefehler des betreffenden Journalisten ist, ist eine andere Frage – und diese hängt m.E. nicht zuletzt von der Presseanfrage ab.

    Überdies kann die Antwort der Staatsanwaltschaft Mannheim, mag sie so richtig oder falsch oder missverständlich gewesen sein, wie sie will, wohl kaum “ in brei­ten Tei­len der Öf­fent­lich­keit das Bild [erweckt haben], der An­ge­klagte wäre der Ver­ge­wal­ti­gung überführt“ – denn wie Sie in Ihrem Beitrag vom 20.09.2014, den Sie oben verlinkt haben, ganz richtig darstellen, erfolgte die Antwort auf die Anfrage von stern.tv im Oktober 2012 und damit fast ein halbes Jahr nach dem Freispruch im Mai des Jahres. Insofern kann nach einem Freispruch kaum der Eindruck in der breiten Bevölkerung entstehen, dass jemand der Tat überführt wäre, von der er bereits freigesprochen wurde.

  2. Wo sind die erfreulichen Worte und die „späte Einsicht“? Der neue Leiter der StA Mannheim hat in den Zitaten die Kritik an der StA als nicht gerechtfertigt und als Medienkampagne – weiterhin – zurückgewiesen.

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