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Handbuch des Strafverteidigers

von Hans Dahs

Dahs, Handbuch, Strafverteidiger, Hans Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 2015, Rezension, Buchtipp, kaufen, Hdb, 8. AuflageDas „Handbuch des Strafverteidigers“ darf man ohne Übertreibung als eine Institution der Strafverteidigung bezeichnen. Schon der Beginn des Werkes bringt das Selbstverständnis des Strafverteidigers treffend wie bislang keine andere Umschreibung auf den Punkt:

Verteidigung ist Kampf.
Kampf um die Rechte des Beschuldigten im Widerstreit mit den Organen des Staates, die dem Auftrag zur Verfolgung von Straftaten zu genügen haben.

In der 8. Auflage ist dieses starke „Opening Statement“ der grundlegenden Neubearbeitung des Handbuchs zum Opfer gefallen – leider, muss man sagen. Es wurde auf die isolierte Aussage „Verteidigung ist Kampf“ zusammengestrichen. Seit der ersten Ausgabe 1969 eröffnet diese vielleicht etwas martialisch klingende Passage das Werk, die zuweilen jedoch wohl missverstanden wurde. Gemeint ist – natürlich – der Kampf um das Recht mit den Mitteln des Rechts.

Dahs‘ zuverlässiger Kompass der Strafverteidigung

Eine Arbeit von Prof. Dr. Hans Dahs senior über das Plädoyer war die „Keimzelle“ dieses Handbuches. Zu seinem 65. Geburtstag hat Hans Dahs sen. allen, die am Wesen und Wirken des Strafverteidigers interessiert sind, mit seinem „Handbuch des Strafverteidigers“ einen zuverlässigen Kompass in die Hände gelegt, der in keiner noch so verwirrenden Landschaft versagt. Dies konstatiert Heinrich Ackermann für die „Zeit“ zur 2. Auflage (die Erstauflage war nach einem Monat vergriffen) und begründet die Notwendigkeit eines solchen Handbuchs so:

Der Strafverteidiger hat einen gefahrgeneigten Beruf. Wer ihn und sein Wirken im Zeitalter von Film und Fernsehgericht – und gelegentlich auch im lebendigen Gerichtssaal – nur „von außen“ miterlebt, kann nicht ermessen, welche Fülle von Konflikten und Versuchungen dieser so populäre Beruf in sich birgt.

Die Aussage hat an Aktualität nichts eingebüßt. Das Fernsehen vermittelt ein Zerrbild des Strafverteidigerberufs und dem tatsächlichen Geschehen in der Hauptverhandlung. Ebenso hat sich das Vorurteil gehalten, dass die Strafverteidigung zu den vermeintlich „einfachen“ juristischen Disziplinen gehöre, die jeder  Rechtsanwalt auch ohne vertiefte Kenntnisse im Straf- und Strafverfahrensrecht praktisch „nebenbei“ erledigen könne. Dem ist freilich nicht so, wie auch der Umfang dieses Handbuches mit über 700 Seiten belegt.

Nahezu 10 Jahre sind seit der 7. Auflage vergangen, so dass es dringend an der Zeit für eine Neuauflage war. Mit der nun vorliegenden 8. Auflage wurde das Handbuch einer grundlegenden und erweiterten Neubearbeitung unterzogen und auf den Stand von Mitte 2014 gebracht. Gänzlich neu aufgenommen wurde etwa die gesetzliche Regelung der Verständigung im Strafverfahren in § 257c StPO, die einem geschickten Verteidiger manch neuen Ansatzpunkt eröffnet. Gewidmet ist diese Auflage dem Andenken Gunter Widmaiers.

Das wichtigste Handwerkszeug des Strafverteidigers

Unverändert ist dennoch die Zielsetzung: Das Handbuch lehrt keine Dogmen, beansprucht nicht den Rang eines wissenschaftlichen Werkes der Lehre oder Forschung, sondern soll vielmehr ein verlässlicher Ratgeber für den praktischen Gebrauch sein und Erfahrungen, Erkenntnisse und Einsichten aus 50 Jahren Strafverteidigung vermitteln. Es zeigt die vielfältigen Möglichkeiten der Einflussnahme eines Verteidigers in allen Stadien des Strafverfahrens unter strategischen, taktischen und Opportunitätserwägungen auf, gleichzeitig zudem aber auch die Grenzen, die durch Straf- und Berufsrecht sowie Zivilrecht gezogen werden. Das Handbuch von Dahs ist allerdings keine „Betriebsanleitung Strafverteidigung“ und enthält deshalb auch keine Schriftsatzmuster oder Formulare für den Strafverteidiger – dies bleibt anderen Abhandlungen vorbehalten.

Vielmehr nimmt Dahs auch andere Fähigkeiten in Bezug, denn die Bestimmungen der Straf- und Prozessgesetze sind bei weitem nicht das einzige oder gar wichtigste Handwerkszeug des Strafverteidigers: Menschenkenntnis und Menschenführung, Lebens- und Berufserfahrung, Gespür und Psychologie machen weitaus mehr aus – dies sind essentielle Bausteine einer erfolgreichen Berufsausübung. Im Hinblick auf die „urteilsprägende Kraft des Vorverfahrens“ beanspruchen präventive Beratung, vorbeugende Verteidigungsmaßnahmen und der Umgang mit der Medienöffentlichkeit höhere Priorität vor dem Hintergrund eines modernen Selbstverständnisses des Strafverteidigers. Die bloße Vertretung vor Gericht dagegen hat längst ausgedient.

Hervorragend zu handhaben

Das Handbuch ist hervorragend aufgemacht, was heutzutage leider allzu häufig vernachlässigt wird. Ein großes, bestens lesbares Schriftbild mit Absätzen und Freiraum, vergleichsweise festes Seitenpapier und ein logischer, übersichtlicher Aufbau tragen zur guten Handhabbarkeit bei.

Das Handbuch des Strafverteidigers gliedert sich in sechs Hauptteile:

  • Die allgemeine Stellung des Verteidigers im Strafverfahren
  • Die Stellung des Verteidigers zu den Beteiligten des Strafverfahrens
  • Die Aufgaben des Verteidigers in den Abschnitten des allgemeinen Strafverfahrens
  • Der Verteidiger im Verfahren der Strafaussetzung zur Bewährung, der Strafvollstreckung, der Straftilgung und im Gnadenverfahren
  • Der Verteidiger in besonderen Funktionen
  • Die Honorierung des Strafverteidigers

Erfreulich prägnant geht der Autor die jeweiligen Themen an, kommt sogleich „auf den Punkt“ und verliert sich nicht in epischen Erläuterungen. Dahs beschränkt sich des Weiteren auf wenige Verweise zu Rechtsprechung und Literatur, so dass diese dem Leser auch tatsächlich Mehrwert bieten und nicht lediglich dem Nachweis der Aussage dienen. Für die Spezialmaterie kann das Buch hingegen ausschließlich einen ersten Überblick verschaffen: Es ersetzt insofern nicht die gängigen Standardwerke zur Revision, Wiederaufnahme oder zu berufsrechtlichen Fragen, kann allerdings zu deren Beachtung beitragen.

Dieses Werk sollte jungen Rechtsanwälten, die sich für die Strafverteidigung entscheiden, als Pflichtlektüre dienen. Allerdings werden auch erfahrenere Kollege viel Wissenswertes in diesem Handbuch finden und es gern zum Nachschlagen in die Hand nehmen.

8. neu bearb. und erw. Aufl. 2015, 768 Seiten, Gebunden
ISBN: 978-3-504-16556-7 – Dr. Otto Schmidt – € 119,00

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Das Rezensionsexemplar wurde uns vom Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt.


2 Kommentare zu “Handbuch des Strafverteidigers

  1. Ge­meint ist – na­tür­lich – der Kampf um das Recht mit den Mit­teln des Rechts.

    Ein Kampf mit den Mitteln des Rechts – sicher.

    Ein Kampf um das Recht? Ich glaube kaum – jedenfalls nicht notwendig und eher als Reflex. Richtiger wohl die Formulierung von Dahs: ein „Kampf um die Rechte des Be­schul­dig­ten“, vielleicht auch die Interessen des Beschuldigten (und Angeschuldigten und Angeklagten), aber wohl kaum ums Recht oder gar die Wahrheit – so lange Recht und Wahrheit nicht auch im Interesse des Mandanten stehen. Und das ist längst nicht immer der Fall. Ich vermute: noch nicht einmal überwiegend.

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