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Die Hahn-auf-Hahn-zu-Theorie

Dr. Georgios Gounalakis, Professor für Medienrecht an der Philipps-Universität Marburg berichtet in der LTO über die „Hahn-auf-Hahn-zu“-Theorie in der Berichterstattung über (vermeintlich) Prominente:

Solange die Berichterstattung positiv über die Mandanten ausfällt, gar für deren Karriere förderlich ist, wird sie geduldet, wenn nicht gar ausdrücklich gewünscht und gefördert. Gerne laden Prominente dann auch Kameras und Reporter zu sich privat nach Hause ein, um die Öffentlichkeit an ihrem privaten Glück teilhaben zu lassen und sich selber im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu sonnen und ihren Prominenzfaktor zu steigern. In dem Moment aber, in dem die Berichterstattung kippt, sich also negativ entwickelt aus Sicht des Prominenten, weil nicht mehr über Familienglück, Liebe und Karriere berichtet wird, sondern vom Ende einer Beziehung, einem Rosenkrieg oder Drogenproblemen, wendet sich das Blatt. Dann werden die Informationen gestoppt, mit allen juristischen Mitteln wird versucht, gegen die jetzt missliebigen Artikel vorzugehen.

Der Autor stellt einen Trend zur präventiven Pressearbeit der Medienanwälte fest, die schon im Vorfeld einer eventuellen Berichterstattung versuchen, den Medien sämtliche Spielregeln aufzudiktieren. Ohne Frage ist bei der Verdachtsberichtserstattung im Zusammenhang mit Ermittlungen bei Straftaten auf die Persönlichkeitsrechte der Prominenten zu achten und Zurückhaltung geboten.

Aber nunmehr sämtliche Presseberichterstattung in das Belieben der Prominenten zu stellen ist verfehlt und wird zurecht größtenteils von der Rechtsprechung abgelehnt. So hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowohl an guten, wie auch an tragischen Ereignissen bestehe. Es kann also den Prominenten nur zur Zurückhaltung mit der öffentlichen Zurschaustellung ihres Privatlebens geraten werden – dies beinhaltet zwar keine Garantie, dass ihre Persönlichkeitsrechte auch tatsächlich respektiert werden, erhöht aber die Chancen einer gerichtlichen Durchsetzung. In allen Fällen, gerade in größeren Strafverfahren wird sich die Berichterstattung zugunsten des öffentlichen Informationsinteresses freilich nicht unterbinden lassen.

Ein Verfechter der Pressefreiheit und Gegner der „Hahn-zu“-Mentalität ist zweifelsohne auch Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer AG, der -wenn auch aus nicht so hehren Motiven– bereits 2006 die Fahrstuhl-Theorie in Bezug auf die „Bild“ prägte:

Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten.

Im Ergebnis sei festzuhalten, dass gerade in einer Verdachtsberichterstattung im Umfeld von strafrechtlichen Ermittlungen keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten sein darf. Es muss der Eindruck vermieden werden, der Angeschuldigte sei bereits zweifelsfrei überführt. Unzulässig ist dabei jedoch stets eine bewusst einseitige oder verfälschende und eine durch Sensationslust geprägte Darstellung. Schließlich gelten erheblich höhere Anforderungen an die Überprüfung auf den Wahrheitsgehalt einer Nachricht – ein bloßes „Hörensagen“ ist somit selbstverständlich nicht ausreichend.