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Wer nichts zu verbergen hat, muss auch nichts befürchten

Ein weiteres Mal holt Thomas Fischer in der Printausgabe der „Zeit“ zum Rundumschlag aus – entfernt beschäftigt sich auch dieser Artikel mit dem Täter- und Opferbild – diesmal allerdings mit abermals vertauschten Rollen. Unser Recht lebe von klaren Grenzen zwischen erlaubtem und verbotenem Verhalten, wird der Leitartikel unter dem Statement „Einspruch eines Bundesrichters“ eröffnet. Wer nichts Strafbares tue, den dürfe die Justiz auch nicht verfolgen. Im Fall Edathy ist diese Regel missachtet worden, konstatiert Fischer.

Noch immer ist die Diskussion in vollem Gang, ob die Staatsanwaltschaft Hannover rechtmäßig handelte, als sie Sebastian Edathy mit ausgesprochen fragwürdiger Mitteilungsfreunde dem Volksgericht der öffentlichen Meinung präsentierte – ohne Richter und ohne Verteidiger. Darüber werden wahrscheinlich Gerichte zu befinden haben, denn der Beschuldigte hat Strafanzeige wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen erstattet.

Kriminalistische „Erfahrung“ ohne jeden Beleg

Warum überhaupt weiter gegen den Bundestagsabgeordneten ermittelt wurde, begründet die Staatsanwaltschaft mit der „kriminalistischen Erfahrung“, dass der Besitz von straflosen Nacktfotos stets einen hinreichenden Tatverdacht dahingehend begründe, der Besitzer würde auch strafbare Kinderpornos besitzen. Oder wie es Fischer  knapper und leicht überspitzt formuliert:

Gerechtfertigt wird dies mit der goldenen Regel aller Stammtische: Wer nichts zu verbergen hat, muss auch nichts befürchten. Ganz ähnlich sieht man das in Nordkorea.

Vielleicht, so meint er, sollten diejenigen, die Edathy nun gar nicht voreilig genug vorverurteilen können, erst einmal „die eigenen Wichsvorlagen zur Begutachtung an die Presse übersenden“. Staatsanwälte hingegen sollten weniger aufgeregt agieren und sich ihrer Pflichten entsinnen. Es sei unbedingt erforderlich, wieder grundsätzlich über die Rolle und die Funktion der Staatsanwaltschaft in unserem Rechtsstaat nachzudenken,

als Vertreterin eines Staats, der im Strafverfahren nicht parteiisch ist, sondern neutral. Der Verdächtigungen nicht behandelt wie Verurteilungen und der die mögliche Strafe nicht schon im Ermittlungsverfahren vorwegnimmt. Der beschuldigten Bürgern dasselbe Maß von Rechten gewährt wie denen, die Opfer von Straftaten geworden sind.

Damit einhergehen muss auch die Überlegung, ob es förderlich ist, den Strafprozess immer stärker aus Opfersicht zu betrachten und den Schutz der Kinder über den Schutz des Rechtsstaats zu stellen. Manuela Schwesig zerfloss am Sonntag bei Günther Jauch förmlich in ihrem Ansinnen „für die Kinder“ nun nochmal die Gesetze verschärfen zu müssen. Wie populistisch ihre Thesen waren, muss ihr der Journalist Sebastian Bellwinkel entgegenhalten, der sie daran erinnerte, dass es die Politik ist, die die Behörden finanziell nur völlig unzureichend ausstatten.

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Was le­gal ist, muss im­mer auch privat bleiben dürfen. // Foto: Susann von Wolffersdorff / pixelio.de

Scheinheilige Debatte um die Kinderseelen

Auf die Scheinheiligkeit in der Debatte kommt auch Thomas Fischer  in der „Zeit“ zu sprechen:

Mögen sie ihr Dasein fristen auf den Müllhalden unseres Reichtums, so wollen wir doch zumindest ihre Seelen retten und ihre Menschenwürde! Jugendliche, kindliche Körper, halb bekleidet oder nackt, in sexualisierten Posen! Ekelhaft! Zur Beruhigung greifen wir zur Vogue, zur Elle und zu Harper’s Bazaar. Da leben unsere magersüchtigen kleinen Prinzessinnen; im Junkielook gestylte minderjährige Luder, rund um die Welt gecastet und mit zwanzig vergessen.

Eine Entschuldigung des Rechtsstaats

Es ist zumindest unter Juristen mittlerweile ganz herrschende Ansicht, dass die Ermittlungen gegen Sebastian Edathy kaum zu rechtfertigen sind. Was davon übrigbleiben wird, wenn die erste Empörung verfolgen sein wird, ist allerdings offen. Schließlich traut sich Fischer  am Ende seines Artikels kaum festzustellen:

Vielleicht sollte sich der Rechtsstaat – jedenfalls vorläufig, bis zum Beweis des Gegenteils – bei dem Beschuldigten Sebastian Edathy einfach entschuldigen. Er hat, nach allem, was wir wissen, nichts Verbotenes getan.

Dies wäre sicherlich ein große Geste, die vielleicht auch etwas weit gehen würde. Bei anderen Justizopfern wie Jörg Kachelmann, Andreas Türck oder den vielen (nicht prominenten) zu Unrecht Beschuldigten hat sich der Rechtsstaat auch nie entschuldigt – obwohl auch in den Fällen die Ermittlungsbehörden gnadenlos über das Ziel hinausschossen. Ein Anfang wäre, das ziellose Herumermitteln nun umgehend einzustellen und den Bürger Edathy zu rehabilitieren. Den Bundestagsabgeordneten Edathy wird es nicht mehr geben.

 


18 Kommentare zu “Wer nichts zu verbergen hat, muss auch nichts befürchten

  1. „Es ist zu­min­dest un­ter Ju­ris­ten mitt­ler­weile ganz herr­schende Ansicht, dass die Er­mitt­lun­gen ge­gen Se­bas­tian Eda­thy kaum zu recht­fer­ti­gen sind. “

    Das sehen andere anders:

    http://www.presseportal.de/pm/30621/2667011/rheinische-post-richterbund-verteidigt-ermittlungen-gegen-edathy

    „Da­mit ein­her­ge­hen muss auch die Über­le­gung, ob es för­der­lich ist, den Straf­pro­zess im­mer stär­ker aus Op­fer­sicht zu be­trach­ten…“

    Keine Sorge, der Handel von Kindernacktfotos ist in Deutschland legal.
    Von Opfersicht kann man also kaum sprechen.

    Das denken die Opfer darüber:

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/kinderpornografie-wie-bilder-fuer-azov-in-rumaenien-entstanden-a-955412.html

  2. Dass es unter Juristen (welchen?) herrschende Ansicht sei, dass die Ermittlungen kaum zu rechtfertigen seien, harrt noch eines Beleges.

    Soweit ich es mitbekommen habe, hat die Bezugsquelle für die Kindernacktbilder auch als pornografisch anzusehendes Material vertrieben. Hier einen Anfangsverdacht zu bejahen, erscheint mir daher ohne weiteres vertretbar. Für einen solchen ist es nämlich nicht notwendig, dass bereits Erkenntnisse vorliegen, die sicher zu einer Schuldfeststellung führen. Ein Anfangsverdacht kann sich auch wieder zerstreuen.

    Ob der Anfangsverdacht sich hier angesichts eines merkwürdig verschwundenen Computers bereits wieder zerstreut hat, scheint mir durchaus auch diskussionswürdig. Weitere Ermittlungen halte ich weiterhin für vertretbar.

    Ich glaube nicht, dass Herr Edathy ein Gericht finden wird, das die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen feststellen wird. Prof. Fischer wird wohl nicht damit befasst werden. Der Furor seiner Philippika überzeugt mich nicht.

    • Wenn Sie die Tagespresse (z.B. Prantl), Talkshows (z.B. Fischer, Schertz, Merkel) oder juristische Blogs (z.B. lawblog) verfolgen würden, werden Sie vermutlich keine abweichende Meinung finden. Lediglich einige Staatsanwälte und Vorsitzende von Richtervereinigungen sehen das (verständlicherweise) anders.

      Wie im Artikel ausgeführt, gibt es keinen allgemeinen „Erfahrungssatz“ dahingehend, dass jemand, der straflose Nacktfotos besitzt, auch härteres Material besäße. Wenn man trotzdem meint, durchsuchen zu müssen – was durchaus nicht eindeutig zu bejahen ist – sollte dies leise und unbemerkt vonstatten gehen. Und sicherlich keine Pressekonferenz nach sich ziehen, auf der eine Stunde lang sämtliche nicht strafbaren (!) Vorwürfe vor der Weltöffentlichkeit noch einmal ausgebreitet werden.

      Zum Anfangsverdacht ausführlicher: http://www.deutschlandfunk.de/ermittlungen-gegen-edathy-bilder-von-nackten-jungs-darf.694.de.html?dram:article_id=277382

      Es scheint zur Unsitte zu werden, dass (insbes. prominente) Beschuldigte nicht mehr durch den Richter, sondern durch die Medien „im Namen des Volkes“ schuldig gesprochen werden. Das kann sich ein Rechtsstaat nicht leisten!

      Im Übrigen möchte ich ausdrücklich empfehlen, den gesamten Artikel von Thomas Fischer zu lesen, der ausgesprochen präzise die Arbeit der Ermittler resümiert. Dies kann hier so verkürzt nicht annäherend vollständig wiedergegeben werden.

    • Vielleicht sollten Sie das mal von einem anderen Tatgeschehen aus sehen: seien Sie vielleicht Anfang zwanzig. Dezenter Hip-Hopper-Style, etwas weitere Hose, große, weite Jacke. Eine Zivilstreife findet es sei eine gute Idee, sie mal zu kontrollieren. Die beiden Polizisten finden absolut gar nichts bei Ihnen, da Sie ja ein gesetzestreuer Bürger sind, der nichts zu befürchten hat. Allerdings wurden in Ihrer Geldbörse Scheine wie folgt gefunden: 2x 5 Euro, 3x 10 Euro, 2x 20 Euro, 1x 50 Euro. Aus kriminalistischer Erfahrung „wissen“ die beiden Beamten, dass dieses eine „szenetypische Stückelung“ ist. Auch wenn bei Ihnen nichts gefunden wurde, was in irgendeiner Art und Weise verboten ist, besorgen sich die Polizisten auf dem Eilweg einen Durchsuchungsbeschluß für Ihre Wohnung. Kurze Zeit später wird ihre Bude komplett auf den Kopf gestellt. Selbstverständlich wird nichts gefunden. Ist aber kein Problem, sie haben ja nichts zu verbergen.

      So etwas ist nicht nur einmal vorgekommen, falls Sie einen Migrationshintergrund haben, soll die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten dieser Situation um einiges höher sein, habe ich gehört.

      • Das ist eine durchaus berechtigte Kritik. Was als „Racial Profiling“ nun immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt, ist im Prinzip dasselbe wie das, was prominenten Personen auf dem Gebiet des Sexualstrafrechts passiert und deshalb an die Öffentlichkeit dringt – gleichwohl ist es dasselbe Unrecht.

    • Soweit ich es mitbekommen habe, wurde dem BKA genau übermittelt, was Edathy bestellt hatte. Darunter offensichtlich keinerlei Kategorie 1-Material.
      Der Anfangsverdacht kann sich doch nicht am illegalen Verhalten des Versenders orientieren, sondern muss auf die Person abstellen, bei der durchsucht wird.
      Ich denke jedenfalls, dass derjenige, der sich gesetzestreu verhält zunächst einmal vor Eingriffen des Staates geschützt werden muss. Deswegen ist die „kriminalistische Erfahrung“ meiner Ansicht nach keine ausreichende Basis um darauf so schwere Eingriffe wie eine Wohnungsdurchsuchung zu stützen. Denn der Bürger hätte gegen sie keine Abwehrmöglichkeiten, da er nicht über die kriminalistische Erfahrung verfügt zu beurteilen ob sein Verhalten möglicherweise doch staatliche Eingriffe nach sich zieht. Dies führt aber den Schutz des gesetzestreuen Bürgers vor staatlichen Eingriffen ad absurdum.
      Gegen die Maßnahme spricht auch die Intensität des Eingriffs. Man wird annehmen müssen, dass je intensiver und weitreichender die Maßnahme ist, desto schwerer muss der Anfangsverdacht wiegen. Dass ist natürlich bei Ermittlungen in diesem Umfeld inzwischen sehr schwer. Nachdem dieser Vorwurf zum sozialen Exitus des Verdächtigen führt, selbst wenn sich danach herausstellt, dass der Verdacht unbegründet ist, dann reicht kriminalistische Erfahrung als einziges Verdachtsmoment erst recht nicht aus.
      Man kann nicht auf der einen Seite ein gesellschaftliches Klima produzieren, in dem sexueller Missbrauch und Kinderpornografie als das schlimmst mögliche Verbrechen angesehen werden mit den entsprechenden Folgen für Betroffene und dann gleichzeitig „hemdsärmlig“ ermitteln. Das macht sich in Krimiserien gut aber nicht in der Realität. Der Staat hat nämlich auch eine Schutzpflicht, nicht nur von Kindern, sondern auch von seinen gesetzestreu lebenden Bürgern. Und dann kann man schon zu dem Ergebnis kommen, dass eine, allein auf kriminalistische Erfahrung (also eine reine Wahrscheinlichkeitsvermutung) gestützte, Hausdurchsuchung bei diesem Anfangsverdacht so massiv in die Rechte des Verdächtigen eingreift, dass sie nicht verhältnismäßig und damit rechtswidrig ist.

  3. Es ist doch nicht verwunderlich. Macht ohne Verantwortlichkeit und Kontrolle korrumpiert. Die Kritik von Fischer geht aber zu kurz wenn er nur die Staatsanwaltschaften zur Ordnung ruft. Schließlich haben Richter die mehrfachen Durchsuchungen bei Edathy angeordnet.
    Fischer hat eindeutig Recht wenn er schreibt, dass Prozesse zunehmend aus Opfersicht gestaltet werden. Das ist vielen gar nicht so bewusst. Aber ein Beispiel: Ein Opfer ist in einem Prozess Belastungszeuge. Als Nebenkläger ist das Opfer aber nicht nur Zeuge sondern auch Ankläger mit weit gefassten Rechten. Das geht bis zur vollständigen Akteneinsicht, was dazu führt, dass das Opfer seine Aussagen ohne weiteres der Ermittlungslage anpassen kann. Und es darf als Neben(an-)kläger einen eigenen Strafanspruch formulieren. Gleichzeitig ist das Opfer gerade bei Sexualdelikten oftmals überhaupt das einzige Beweismittel, das zur Verfügung steht.
    Wer hier nicht sieht, dass der Opferschutz den Rechtstaat pervertiert, der kann in den Iran schauen und sehen wie dort die Täter nach dem Willen der Opfer Auge um Auge bestraft werden.
    Es gab eine lange Tradition, nach der sich der Rechtstaat neutral zu verhalten habe. Bei uns hat der Rechtstaat die Neutralität längst auf gegeben und Opfer werden vor Gericht inzwischen regelrecht hofiert. Das kann zu solch perversen Situationen führen, dass das Opfer bei seiner Aussage verlangen kann, den Angeklagten aus dem Gerichtssaal entfernen zu lassen, während der Angeklagte die Nebenklage zum Beispiel bei der Erörterung persönlicher Verhältnisse nicht ausschließen lassen kann. Der Prozess kann also ohne Angeklagten, dafür aber mit parteiischer Nebenklage stattfinden. Das ist Rechtsstaat pervers und Fischer hat absolut Recht wenn er dies anprangert.

    • Wie dies die Justiz an der Nase herum führen kann wurde ja beim Kachelmann-Prozess deutlich. Man sollte aber auch deutlich aussprechen wem diese Entwicklung zu verdanken ist: Einem überbordenden Feminismus. Darum war der Kachelmann-Prozess auch beispielhaft: Der Täter, typischerweise ein Mann, das Opfer, typischerweise ein armes Weiblein, dass mit dem scharfen Schwert des Strafrechts geschützt werden muss und sich in einem Prozess als Nebenklägerin dieses scharfen Schwerts sogar selbst bedienen darf. Was hier Feministinnen abziehen ist nicht Gleichberechtigung oder Gleichstellung sondern, wie Sie richtig schreiben, die Pervertierung des Rechtsstaates.

  4. Auch hier wird der Unsinn von der ehemaligen Professorin kolportiert, man brauche für eine Durchsuchung einen hinreichenden oder gar dringenden Tatverdacht. Für eine Durchsuchung genügt der Anfangsverdacht. Ein Anfangsverdacht ist bereits dann gegeben, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Verwirklichung eines Tatbestands gegeben sein könnte. Hierzu muss man wissen, dass die Auswertungssoftware für KiPo auch immer nach sog. Präferenzbildern sucht (Bilder, die die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht überschritten haben). Diese werden bei der Auswertung in KiPo-Fällen regelmäßig neben dem strafrechtlich relevanten Material gefunden. Die Annahme eines Anfangsverdachts halte ich für nicht abwegig.

    • Ich finde kriminalistische Erfahrung für die Begründung von intensiven Eingriffen nicht ausreichend. Zumal diese auch durch die Exekutive im Alleingang wegen Gefahr im Verzug angeordnet werden können. Ich finde aber, dass ein Bürger, der sich gesetzestreu verhält zunächst einmal davon ausgehen können darf, dass er vom Staat nicht angegriffen wird. Da diese kriminalistischen Erfahrungssätze ja auch kein allgemein zugängliches Wissen sind, hat ein gesetzestreuer Bürger keine Möglichkeit darauf zu vertrauen, dass sein legales Verhalten eingriffslos bleibt. Das finde ich kann nicht sein. Das ist eigentlich eine Rasterfahndung und schon bei der musste man die Verhältnismäßigkeit sehr genau abwägen zwischen Freiheit und Sicherheit sowie der Intensität des Eingriffs, der Wahrscheinlichkeit der Auffindevermutung und natürlich der erfolgten Rechtsverletzung. Da aber alleine der Tatverdacht in diesen Fällen zum sozialen Tod einer Person führt, muss hier sehr genau abgewogen werden und da reicht „kriminalistische Erfahrung“ nach meinem Dafürhalten nicht aus.

    • Wie viele Kiffer rauchen auch „normalen“ Tabak, konsumieren mithin legale Drogen? Und wie viele Raucher kiffen? Begründet die kriminalistische Erfahrung nicht auch hier einen Anfangsverdacht?
      Wie viele Alkoholkonsumenten nehmen auch illegale Drogen zu sich?

      Sicher ist dieser Vergleich eingeschränkt durch den Umstand, dass legaler Drogenkonsum (hoffentlich) deutlich weiter verbreitet ist als der Besitz der hier diskutierten Bilder und somit eine größere Zahl von potentiell strafrechtlich irrelevanten Sachverhalten erfasst würde, wenn man auch hier nach Ihrem sehr weit gefassten Begriff des Anfangsverdachts vorginge. Trotzdem bin ich der Meinung, dass gerade dieses Argument neben dem Besitz von Präferenzbildern weitere Verdachtsmomente zur Bejahung des Anfangsverdacht erforderlich macht.

    • Ob man neben strafrechtlich relevantem Material auch Präferenzbilder findet, ist etwas ganz anderes, als nur Präferenzbilder zu haben und zu unterstellen, dass da irgendwo auch noch strafrechtlich relevantes Material sein muss.

    • „Hierzu muss man wis­sen, dass die Aus­wer­tungs­soft­ware für KiPo auch im­mer nach sog. Prä­fe­renz­bil­dern sucht (Bil­der, die die Grenze zur Straf­bar­keit noch nicht über­schrit­ten ha­ben). Diese wer­den bei der Aus­wer­tung in KiPo-Fällen re­gel­mä­ßig ne­ben dem straf­recht­lich re­le­van­ten Ma­te­rial ge­fun­den.“
      Aha!
      Halten Sie ‚Praeferenzbilder‘ (also ‚Referenzbilder‘ fuer ein KiPo-Suchprogramm) zur Verdichtung eines Anfangsverdachtes, welcher dann eine HD begruendet, nicht auch fuer hoechst fragwuerdig? Was sind denn ‚Praeferenzbilder, die die Grenze zur Strafbarkeit (noch??? Wer zieht denn da die Grenze und…wo wird diese gezogen?) nicht ueberschritten haben‘? Kinderbilder!
      Nochmal Aha! Mhm…Stehen damit nicht alle Buerger, die Kinderbilder auf ihrem PC oder auch als Fotos in ihrem Wohnzimmerschrank haben, bereits unter generellem Anfangsverdacht (Praeferenzbilder eben?!), der eine HD begruendete?
      Haben Sie Kinder…oder Ihre nahen Verwandten? Wie sieht’s denn also bei Ihnen aus? Sind Sie auch ein Aspirant fuer die naechste entsprechende HD?
      *neugierig guck*

  5. Schöne Zusammenfassung des Fischerschen Aktenvermerks!

    In einem strafrechtlichen Graubereich befindet sich nicht das Bildmaterial, das Herr Edathy aus Kanada bezogen hat. Da herrscht Einigkeit, dass die Grenze zur Strafbarkeit nicht überschritten worden ist.

    Sondern es ist die Durchsuchung, die sich im (strafprozessualen) Graubereich befindet. Dabei wird man es einer verdachtsbegründenden kriminalistischer Erfahrung nicht per se absprechen können, auch ausreichender Anlass für eine Durchsuchung bieten zu können. Auch die Legalität der Anlasshandlung schließt das nicht aus. Wer (völlig legal) zur Tatzeit am Tatort eines Mordes gewesen ist kann deshalb Verdächtiger geworden sein.

    Allerdings muss legales Alltagshandeln, die Verdichtung und Schlüssigkeit „kriminalistischer Erfahrung“ und die Schwere der Tat in einem Gesamtzusammenhang gesehen werden. Das gilt umso mehr, wenn die Ermittlungsmaßnahme tief in die Grundrechte des Verdächtigen eingreift. Kurz und gut: Es ist eine Güterabwägung durchzuführen.

    [Güterabwägung? Ja, ein Fremdwort für Staatsanwälte, die hoch zu Ross als Kavallerie des Rechtsstaates den Strafanspruch des Staates für absolut halten. Trotzdem: Die Grundrechte gelten auch in der StPO.]

    Im Ergebnis würde ich sagen: Wenn es eine allgemeine kriminalistische Erfahrung gibt, nach der über 50 Prozent der Konsumenten legalen Materials auch illegales Material zu Hause haben, dann reicht mir das nicht aus, wenn es lediglich Konsumenten sind und die Straferwartung (Strafbefehl) niedrig ist. Es müssen noch weitere Umstände hinzutreten – entweder verdachtserhöhend oder straferhöhend. Oder die Erfahrungswerte nähern sich von Wahrscheinlichkeit Richtung Sicherheit.

    Andere Ansicht gut vertretbar…

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