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DNA-Analyse wegen eines Joints

Bayern ist für einen unnachgiebigen Umgang mit Straftätern bekannt – und auch gegen Kleinkonsumenten von Cannabis fährt besonders schwere Geschütze auf. Am 25. August 2010 wird ein Fahrradfahrer kurz vor ein Uhr nachts auf dem Münchner Karl-Marx-Ring von zwei Streifenpolizisten gestoppt, da er von einer verdächtigen Marihuana-Duftwolke umhüllt sei. Die Polizeibeamten durchsuchen den Radfahrer – finden allerdings nichts. Erst als die den Weg absuchen finden sie hinter ihm einen noch warmen Joint.

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In Bayern werden auch Kleinkonsumenten unnachgiebig verfolgt // Foto: Chmee2/Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

Der Radfahrer zeigt sich geständig, gibt zu mit Freunden an dem Joint gezogen zu haben, allerdings sei der Joint nicht seiner gewesen. Der bloße Konsum von Marihuana ist in Deutschland nämlich straffrei, der Besitz jedoch nicht. Allerdings wird anderswo in Deutschland dieser Besitz zum Eigenbedarf nicht weiter verfolgt – derartige Verfahren eingestellt. Doch nicht so in Bayern: Die Staatsanwaltschaft will es hier ganz genau wissen und gibt eine DNA-Analyse in Auftrag, die allerdings nichts Neues zutage fördert, denn der Beschuldigte hatte ja bereits eingeräumt, an dem Joint gezogen zu haben. Ob er jedoch das Marihuana auch gekauft oder den Joint gedreht hat – das kann freilich die solche DNA-Analyse nicht klären.

Unnachgiebiger Verfolgungseifer

Trotz der unergiebigen Beweislage wird der Mann wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln angeklagt und das Hauptverfahren eröffnet. Zwar können die Polizeibeamten einen Besitz nicht zweifelsfrei nachweisen, denn sie haben ja nicht gesehen, ob oder wie er den Joint weggeworfen hat. In seinem Plädoyer fordert der Staatsanwalt drei Monate Freiheitsstrafe pur – also ohne Bewährung. Der Angeklagte sei schon mehrmals wegen Drogenkonsums mit der Justiz in Konflikt geraten, was eine deutliche Bestrafung rechtfertige. Das Gericht zeigte sich jedoch unbeeindruckt und sprach den Angeklagten aus Mangel an Beweisen frei.

Ist damit die Geschichte vorbei? Mitnichten! Ob der „erdrückenden Beweislage“ ging die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil in Berufung, um vor dem Landgericht doch noch eine Verurteilung zu erreichen. Erst als der Freund des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung gestand, dass der Joint seiner war, nahm die Staatsanwaltschaft die Berufung zurück.

In Bayern gelte das Betäubungsmittelgesetz noch

Wenn es um Marihuana geht, dann kennt Bayerns Justiz kein Pardon. In Berlin hätte die Polizei wahrscheinlich nicht einmal eine Strafanzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft München I sieht das naturgemäß anders: Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) werde in Bayern angewandt und entsprechende Straftaten werden auch verfolgt – alles andere wäre Strafvereitelung im Amt. In Bayern werde das so gehandhabt, wie man es im Freistaat für richtig halte und zwar unabhängig davon, wie anderswo damit umgegangen werde.

Wegen Fällen wie diesen fordern mehr als hundert deutsche Strafrechtsprofessoren seit eineinhalb Jahren in einer Petition an den Bundestag ein Umdenken in der Drogenpolitik. Die Drogenproblematik in unserem Land sei nicht mit dem Strafrecht zu lösen – die bislang von der Politik verfolgte Abschreckungsstrategie gehe ganz offensichtlich nicht auf.


8 Kommentare zu “DNA-Analyse wegen eines Joints

  1. “ ….bay­ri­sche Jus­tiz ist wahr­lich im­mer wie­der…. “

    fDas oben dargestellte Verfahren ist nur ein kleiner Mosaikstein in einem Gesamtbild zunehmender Zersplitterung. Es war schon schwer genug, überhaupt eine neue einheitliche Rechtschreibung durchzusetzen ( gibt es diese ? ), und die Strafverfolgungspraxis im Fall von
    Bagatellvestößen gegen das BtmG ist auch 20 Jahre nach dem ziterten Urteil des BVerfG nicht einheitlich, im Gegenteil: Berlin verwandelte sich um 1994 bis etwa 1998 in eine Art
    Ost-Amsterdam, mit einer Unmenge von Coffeeshops, an fast jeder Ecke. Das glaubt heute schon keiner mehr, obwohl es passiert ist. Es wurden in eher nordwestlichen Bundesländern
    auch große Mengen Btm nicht mehr eingezogen: bis an die 30 – Grammgrenze ( Marihuana
    etc. ) , während in den südlichen und östlichen Bundesländern auch ein Gramm Marihuana in der falschen Tasche gravierende Probleme bereiten konnte. Krass ist auch der Kontrast, wenn man Berlin und Brandenburg vergleicht, wobei Bayern eher wirkt wie Brandenburg.

    Das BtmG gilt aber in ganz Deutschland, oder etwa nicht so ganz ?

    Die dargestellte Sache ist auch nur ein Mosaikstein in einem Gesamtbild, in dem sich die
    sog. politische Klasse an Urteile des Verfassungsgerichts nicht mehr gebunden fühlt.

    Immerhin: man hatte 20 Jahre Zeit, um eine einheitliche Regelung, betreffend Millionen Konsumenten, herbeizuführen, und es passierte – nichts.

  2. Sic transit gloria mundi:

    „…. forderte das BVerfG im berühmten Haschisch-Beschluss vom 9.3.1994 (NJW 1994, 1577, 1583):

    „Die Vorschrift des § 31 a BtMG gestattet der Staatsanwaltschaft in weitem Umfang, Ermittlungsverfahren ohne Mitwirken des Gerichts einzustellen; sie eröffnet zugleich die Möglichkeit, die Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaft durch Verwaltungsvorschriften zu steuern. Die Länder trifft hier die Pflicht, für eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen. […] Ein im wesentlichen einheitlicher Vollzug wäre nicht mehr gewährleistet, wenn die Behörden in den Ländern durch allgemeine Weisungen die Verfolgung bestimmter Verhaltensweisen nach abstrakt-generellen Merkmalen wesentlich unterschiedlich vorschrieben oder unterbänden.““

    Bis heute gibt es eine sehr unterschiedliche Verfolgungspraxis mit grotesken Zügen. Selten ist ein Urteil so wirkungslos verpufft.

  3. den gleichen Aufstand musste ich vor 16 Jahren in Bayern mitmachen. Wegen 2 Gramm musste ich DNA sowie Fingerabdrücke abgeben plus Strafanzeige .Wer einen Führerschein besitzt kann auch sofort mit einer MPU rechnen und Führerscheinentzug. In Berlin und wohl in allen anderen Bundesländern sind sie viel toleranter.Es sollte ein einheitliches Gesetz aller Bundesländer geschaffen werden.

  4. Die sollen sich gefälligst um Müll woe Kokain kümmern und nicht um ne leichte ungefährliche Droge wie Marihuana

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