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Bullshit-Bingo mit Blüm

Die Zuschauer von „hart aber fair“ mussten gestern schon einiges über sich ergehen lassen: Der renitente Ruheständler Norbert Blüm hatte es sich ersichtlich zur Aufgabe gemacht, sämtliche Schlagworte seines Buches in der Sendung unterzubringen. Dementsprechend warf er immer wieder – auch wenn es überhaupt nicht passte – seine allzu bekannten Floskeln in den Raum: Kuhhandel, Ablasshandel, Justitia, die die Hand aufhält usw.

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Hart aber fair zum Thema „Reichen-Rabatt und diskrete Deals – wie gerecht ist die Justiz?“

Diese hohle Phrasendrescherei wurde vom Publikum auch noch eifrig beklatscht. Und während sich der Strafverteidiger (im TV genauso wie im echten Leben) Ingo Lenßen mit Blüm eher auf Kuschelkurs bewegte, war Ralf Höcker der einzige in der Runde, der Blüm des Öfteren Paroli bot.

Wenn Geld das Recht ersetzt

Blüm zeigte sich gewohnt unbelehrbar: Er finde es nicht gut, wenn Geld das Recht ersetze und stellte die Einstellung des Verfahrens erneut so hin, als ob diese nur Superreichen zur Verfügung stände. Ralf Höcker grätschte dazwischen und verwies Blüm auf 240.000 Einstellungen pro Jahr:

Das sind nicht 240.000 Superreiche, die 75 Millionen Euro bezahlen, sondern ganz normale Beschuldigte eines Strafverfahrens.

Blüm lamentiert trotzdem völlig unbeeindruckt weiter, er sei auch dagegen, dass diese Deals bei schweren Straftaten zur Anwendung kommen. Das Gespräch drehte sich in diesem Moment um den § 153a StPO, der ja nun gerade nur angewandt werden darf, wenn die Schwere der Schuld nicht entgegensteht – demnach gerade nicht bei „schweren Straftaten“ (Verbrechen).

Die heilige Mittagspause

Auch das „Problem“ der Mittagspause des Richters wurde nur angeschnitten. Jeder, der einmal bei Gericht gearbeitet hat, weiß: Die Mittagspause ist dem Richter heilig! Und das Essen muss zusammen mit den Kollegen eingenommen werden, so dass die Richter oft bereits ab 11:00 Uhr beginnen, nervös auf ihrem Stuhl herumzurutschen, wenn sich das Ende des Prozesses nicht abzeichnen mag. Struktur ist wichtig und so will man das dem fleißigen Richter gar nicht verübeln (die anderen terminieren gar nicht erst so „knapp“, dass die Mittagspause in Gefahr geriete.) Ein Richter denkt nun einmal nur in den Kategorien: Nach der Kaffeerunde ist vor der Mittagspause, nach der Mittagspause ist vor dem Feierabend!

Wenn Richter also in Richtung Mittagspause tatsächlich immer unnachgiebiger urteilen sollten (Richter sind eben auch nur Menschen!), steht gegen das erstinstanzliche Urteil ein Rechtsmittel zu. Sprich: Das Urteil ist nicht zementiert, die richterliche Fehlentscheidung kann noch korrigiert werden. Dieser Aspekt kam in der gesamten Diskussion nicht vor – vielmehr wurde den Richtern Unfehlbarkeit unterstellt und dass deren Fehlentscheidungen nie korrigiert würden.

Wie unantastbar sind Politiker?

Bei dieser Gelegenheit: Wie unantastbar sind eigentlich Politiker? Werden deren üble Fehlentscheidungen korrigiert? Oder werden sie (strafrechtlich) zur Rechenschaft gezogen, wenn sie den Bürgern versprechen, die Rente sei sicher und sich dieses Versprechen später als falsch herausstellt. Blüm misst gern mit zweierlei Maß, wenn er die Folgenlosigkeit von Fehlurteilen bei Richtern anprangert, diese in der Politik aber lieber verschweigt.

Der „hart aber fair“ Faktencheck

Als es nach einer Stunde Diskussion um die Stundensätze von Rechtsanwälten geht, zeigt sich Moderator Frank Plasberg geschockt: Stundensätze von bis zu 500 Euro, nicht Tagessätze? Ich konnte mir das gar nicht vorstellen! Also bis zu 5.000 Euro pro Tag?

Nun kommen wir zum Faktencheck: Was mag denn Frank Plasberg in knapp eineinhalb Stunden Moderation wohl verdienen, fragte ich gestern auf Twitter. Die Antwort findet sich in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung: Schon 2010 bekam Plasberg pro Sendung eine Gage von 17.000 Euro! Wohlgemerkt: Gage, denn seine Produktionsfirma bekam im Jahr 2010 pro Sendung wohl ganze 120.000 Euro. Während Rechtsanwälte aus ihrer „Gage“ also den gesamten Kanzleibetrieb sicherstellen müssen, bekommt Plasberg einen Stundensatz von über 10.000 Euro nur für seine Moderation. Man kann seine Reaktion in der Sendung daher wohl verlogen finden!

Wer die Sendung verpasst hat (und sich das wirklich antun möchte) hat in der WDR-Mediathek die Gelegenheit dazu. Weitere Fehltritte der Sendung gern in die Kommentare!


4 Kommentare zu “Bullshit-Bingo mit Blüm

  1. „Wenn Rich­ter also in Rich­tung Mit­tags­pause tat­säch­lich im­mer un­nach­gie­bi­ger ur­tei­len soll­ten (Rich­ter sind eben auch nur Men­schen!), steht ge­gen das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ein Rechts­mit­tel zu.“ Ach ja? Ein Rechtsmittel steht zu, wenn es prozessrechtlich vorgesehen ist. Wo find ich denn da die „überdurchschnittliche Unnachgiebigkeit“ als Zulassungsgrund im Gesetz? Beispiele? Berühmt Fälle, wo es so lief?

    Oder läuft es doch so http://www.dorkawings.de/2015/01/prominentenstrafrecht-ein-populistischer-beitrag/

  2. Sicher, Blüms „Einspruch“ ist verlogen. Unsinnige Gemeinplätze, nichts wirklich Greifbares, v.a. keine wirklichen Konsequenzen. Nur ein weiteres Buch zum Anschmieren der Bürger und zum Selbstbeweihräuchern und zum Noch-reicher-werden.
    Die jetzige Kritik an Blüm erreicht aber kein besseres Niveau.
    Es „steht ge­gen das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ein Rechts­mit­tel zu.“ Hurrah, Hurrah, Hurrah! Moment – dann hat ja also ein Richter die Lizenz zum – nun ja – „Versagen“? Aber wie gut, dass ja jeder Bürger unendlich Zeit, Geld und Nerven hat, jeden Prozess bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht, zum EuGHMR etc. pp. durchzutragen. Diese unzerstörbare Tatsache der jederzeit unendlichen vollkommenen Belastbarkeit ausnahmslos aller Bürger vertreibt absolut alle Bedenken, man müsste sich bei der Justiz einmal mit Unrecht abfinden.
    Ferner: Die fragwürdige Zusage einer sicheren Rente mag man kritisieren. Aber: Ein richterliches Fehlurteil kann Leben zerstören. Merke: Nicht alles, was mehr als hinkt, ist schon ein Vergleich.

    • @Pater Rolf Hermann Lingen: Es ging nur um die Klarstellung, dass ein Urteil nicht zementiert ist, wie es in der Sendung dargestellt wurde.

      Zur vermeintlich sicheren Rente: Es ging auch hier um die Darstellung, dass Blüm von allen anderen Verantwortlichkeit für Fehler fordert, während er sich selbst nicht hinterfragt. Auch die unsichere Rente kann Leben zerstören, nämlich dann, wenn man einsam und verarmt im Alter allein zu Hause sitzt. Das ähnelt Zuständen in einer JVA schon sehr.

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