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Gerhard Strate: Der Fall Mollath (Rezension)

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Wohl bislang noch nie widmete ein Strafverteidiger ein ganzes Sachbuch nur einem seiner Fälle. Gerhard Strate macht damit den Anfang und schildert auf ca. 270 Seiten den „Fall Mollath“, der schließlich nicht nur irgendein Fall ist, sondern beispielhaft das Versagen von Justiz und Psychiatrie aufzeigt und der die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren in sehr beachtlichem Ausmaß bewegte.

Das Buch ähnelt einem Justizkrimi, wie ihn sich John Grisham nicht besser hätte ausdenken können; einzig: Es handelt es sich nicht um Fiktion, sondern vom realen Versagen vieler einzelner Glieder im System der Kontrollinstanzen eines Rechtsstaats in einer bisher nicht gekannten und erwarteten Häufung.

Vom Recht verlassen

Ein erfahrener Richter setzte sich über Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinweg, ließ Einsprüche und Beschwerden einfach liegen ohne diese weiterzuleiten oder zu bescheiden, eine Richterin versagte dem Untergebrachten Kontakt und Beistand durch einen Rechtsanwalt. Psychiater begutachteten einen Probanden, den sie nie gesehen oder gesprochen hatten, verkürzten Mollaths Aussagen sinnentstellend, damit diese eine vermeintliche Diagnose stützten. Das Versagen ist dabei keinesfalls singulär, sondern scheint eher systemimmanent: Mollath wird ohne schriftliche richterliche Anordnung regelmäßig über längere Zeiträume an Händen sowie Füßen gefesselt, wird über drei Wochen festgehalten, ohne dass ihm die Gründe der Inhaftierung oder Unterbringung erläutert worden wären. Verfassungsrechtlich garantierte, rechtsstaatliche Grundsätze1 werden in einer den Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllenden Weise schlicht ignoriert. Freilich wird sich später als Zeuge niemand mehr daran erinnern.

Dass nicht einmal die BGH-Richter des 1. Strafsenats an dem Urteil des Landgerichts Nürnberg vom 8. August 2006 Anstoß nahmen, dem hinsichtlich des Vorwurfs der Sachbeschädigung kein ordnungsgemäßer Eröffnungsbeschluss zugrunde lag und somit eine vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung fehlte, passt perfekt in die Reihe kollektiven Versagens. Strate kommt in diesem Zusammenhang auf den ehemaligen Vorsitzenden dieses Senats Armin Nack zu sprechen, der augenscheinlich ebenfalls in der Lage war, die Natur solch psychiatrischer-gutachterlicher Umtriebe zu durchschauen und verweist auf einen Vortrag vom 31. Mai 2012 in Passau, bei dem Nack unverhohlen die vermeintliche Sachkunde des Postboten Gerd Postel lobte, der sich mit falschen Papieren eine Stelle als Psychiaters ergaunerte und die Zeit selbst gern und übermäßig häufig als „Hochstapler und Hochstaplern“ beschreibt.

Psychiatrisierung und Pathologisierungswahn

Chronologisch geordnet schildert der Autor die einzelnen Stadien der Psychiatrisierung Mollaths und den damit einhergehenden ‘Pathologisierungswahn‘ der Koryphäen der Psychiatrie – Stück für Stück ergibt dies gleich einem Puzzle ein unvorstellbares Bild vom Versagen der Psychiatrie und der Justiz. Daran zeigt sich überdeutlich die Dimension der Konsequenzen, „wenn die Recht sprechende Gewalt ihre Unabhängigkeit delegiert und mit der forensischen Psychiatrie eine unheilvolle Allianz eingeht“.2 Welches Ansehen die forensische Psychiatrie bei Strate mittlerweile genießt, gibt er ganz unverhohlen zu:

Klebrige Sprachfäden, zweifelhafte Psychopharmaka mit schwersten Nebenwirkungen sowie die optionale Anwendung von körperlichem Zwang lassen sie allenfalls als eine Schmuddelecke der Medizin erscheinen. Zwar ist auch die Jurisprudenz keine echte Wissenschaft. Aber die untersteht immerhin dem Gesetz und hat bestimmte Regeln, es zu interpretieren.3

Dieses Buch ist dementsprechend auch eine Anklageschrift gegen die beteiligten Richter sowie wiederum die Richter, die den damals Beteiligten eine Art Absolution erteilten.4 Und schließlich eine Anklage gegen die forensische Psychiatrie im Allgemeinen, die sich offensichtlich an der Erwartungshaltung des Auftraggebers eines Gutachtens orientiere und bei der ungerechtfertigten Stigmatisierung von Menschen eine maßgebliche Rolle spiele:

Sie ist, sofern sie ihr böses Gesicht zeigt, die Wissenschaft dieser Stigmatisierung.5

Strate nimmt als Autor nicht die Position eines neutralen Berichterstatters ein, sondern wählt die des fortwährend loyalen Verteidigers – seine Beschreibung der Ereignisse ist gezeichnet von tiefem Respekt, den er Gustl Mollath erweist und ihn auch – in Teilen – als „Helden“ mit einem ungebrochenen Widerstandswillen im Kampf gegen Psychiatrisierung und Justizmord stilisiert.

Anknüpfend an die Dokumentation auf seiner Internetseite werden im Buch vie­ler­orts Passagen aus Entscheidungen sowie Gutachten zitiert und gleich darauf einer Kommentierung des Autors zugeführt. Dadurch wird dem Leser die jeweilige Problematik des Auszugs sogleich offenbar.

Dankend hebt Strate auch ausdrücklich die Berichterstattung einiger Blogger hervor, vor allem die von Gabriele Wolff, Ursula Prem, Oliver García und Henning Ernst Müller, die den gesamten Fall begleitet, kritisch beobachtet und in die Öffentlichkeit gebracht haben. Weitaus weniger gut kommen dagegen die – nicht anonymisierten – Protagonisten dieses Falles weg, deren häufig augenfälligen Fehlleistungen nun schonungslos beleuchtet werden.

Der Fall Mollath aufbereitet als Justizkrimi für ein Massenpublikum

Sprachlich handelt es sich bei dem Werk nicht um ein Meisterstück Strates. Ein eher nüchterner Berichtsstil ersetzt die sonst so geschätzten scharfzüngigen Betrachtungen, wodurch sich recht deutlich zeigt, dass sich das Buch vielmehr an eine breite Öffentlichkeit denn ein interessiertes Fachpublikum richtet. Es ist für den Massenmarkt und die Bestsellerlisten geschrieben, in denen es in den kommenden Wochen und Monaten sicher zu einem Dauerbrenner werden wird.

Dennoch sollten sich insbesondere auch Strafjuristen diesem Buch eingehender widmen, denn es zeigt einmal mehr überaus eindrucksvoll, dass das Recht keinem Selbstzweck dient. Die im Rechtsstaat installierten „Sicherungsmechanismen“ können versagen – zurück bleibt Unrecht. Dass sich dieses Ergebnis im Fall Mollath nicht grenzenlos verallgemeinern lässt, ist für den Rechtskundigen selbstverständlich, muss dem unbedarfteren Leser an dieser Stelle allerdings noch einmal deutlich gesagt werden.

Strates Betrachtung unseres Rechtsstaats ist Büchern des gleichen Genres deutlich überlegen, weil etwa Norbert Blüm gänzlich wahllos und fachlich ahnungslos blind auf die Justiz einhackt, während sich die Kritik im konkreten Fall Mollath dem Leser durchweg authentisch, nachvollziehbar und glaubhaft präsentiert.

Gerhard Strate: Der Fall Mollath . orell füssli Verlag . Hardcover, 288 Seiten . ISBN 978-3-280-05559-5
Erscheint am 15. Dezember 2014 (1. Aufl.) . € 19,95 . Versandkostenfrei vorbestellen6: Beck-Shop . Amazon

  1. vgl. Art. 104 Abs. 3 S. 1 GG []
  2. S. 73 []
  3. S. 62 f. []
  4. OLG München, Beschl. v. 04.06.2014 – 3 Ws 656, 657/13 Kl. []
  5. S. 59 []
  6. Part­ner­links, mit der Be­stel­lung un­ter­stüt­zen Sie Strafakte.de []

32 Kommentare zu “Gerhard Strate: Der Fall Mollath (Rezension)

  1. Was an Grishams Romanen wenig realistisch ist: das unvermeidliche Happyend, bei dem der Protagonist als Aussteiger auf einer Karibikinsel landet und mit viel Geld gesegnet lässig seine Drinks schlürft.

    Und: vermutlich gibt es noch mehr Leute, die aufgrund von Fehlleistungen einer Bank, die offengelegt wurden, für untragbar erklärt wurden. Dies zu behaupten ist allerdings nicht ganz ohne Risiko.

  2. Der Rezensent ist dem Buch nicht gewachsen. Er versteht es nicht. Der Kleine erkennt im Großen immer nur das, was er eben auf Grund seiner „Größe“ zu erkennen in der Lage ist, – mehr nicht. Es liegt eine Anmassung darin, aus der intellektuellen Position des Rezensenten heraus einen Mann vom Range des Buchautors zu kritisieren.

  3. Sie schreiben: „Strate nimmt als Au­tor nicht die Po­si­tion ei­nes neu­tra­len Be­richt­er­stat­ters ein.“

    Eben. Als Mollaths Verteidiger war Strate zu absolut einseitiger Interessenvertretung geradezu verpflichtet. Daran ist natürlich überhaupt nichts Ehrenrühriges. Bücher, die wenigstens implizit den Anspruch erheben, das Publikum objektiv über einen Fall zu informieren, sollte man auf dieser Grundlage aber nicht schreiben.

  4. „Die im Rechts­staat in­stal­lier­ten „Si­che­rungs­me­cha­nis­men“ kön­nen ver­sa­gen – zu­rück bleibt Un­recht.“….hier mangelt es doch nicht an Sicherungsmechanismen, hier mangelt es am moralischen Kompass der Justizjuristen!

    Das komplette Versagen bzw. die hausgemachte Untauglichkeit der Kontrollmechanismen – Richtervorbehalt, Gewaltenteilung, Rechtsbeistand etc. – liegt darin begründet, dass insbesondere in der bayerischen Provinz ein parteipolitisches Klüngel etabliert ist, das sich jahrelang gegenseitig stützt und befördert. „Querulanten“ werden regelrecht vernichtet! Haftprüfungen verkommen zur Posse, wenn sich der Staatsanwalt wohlig zurücklehnt, der Ermittlungsrichter, mit dem er später die Kantine aufsucht, ihm unverhohlen zuzwinkert.

    Der Fall „Mollath“ kann doch deshalb nur ein Anfang sein, die dort in der Justiz „herrschenden“ Charaktere endlich in die Öffentlichkeit zu rücken, wie bspw. den heutigen Präsidenten des OLG Bamberg, Clemens Lückemann, CSU, der schon vor Jahren in der Presse damit prahlte, dass er seine „kleinen, harten CSU-Kämpfer“ gegen „lasche Linke“ in Position bringen will (*Mainpost vom 17.04.2009). Einer dieser „Kämpen. ist der Vorsitzende Richter des 1. Srrafsenats des OLG, Dr. Norbert Baumann, CSU, der so zusammen mit Lückemann als Generalstaatsanwalt 2009/2010 insgesamt zwei Haftbefehle gegen mich initiierte, mich zehn Monate zu Unrecht inhaftieren ließ und mich sehr gezielt zu Unrecht nach Par. 63 StGB dauerhaft wegsperren wollte.

    Trotz Freispruch werden die Vorgänge bis heute von den politisch für diese Zustände Verantwortlichen vertuscht. Bis heute habe ich keinen Cent Entschädigung erhalten.

    Ich traf viele „Gustl Mollaths“ während meines siebenmonatigen Zwangsaufenthalt in der Forensik Lohr, die leider kein Gerhard Strate vertritt: es fehlt an Verhältnismäßigkeit, an Voraussetzungen für die Unterbringung sowohl was „psychische Störungen“ angeht als auch was Straftaten angeht.

    *http://www.mainpost.de/regional/bayern/Lueckemann-nimmt-Kurs-auf-Bamberg;art16683,5077052

    • @Martin Deeg:

      “Die im Rechts­staat in­stal­lier­ten „Si­che­rungs­me­cha­nis­men“ kön­nen ver­sa­gen – zu­rück bleibt Un­recht.”.…hier man­gelt es doch nicht an Si­che­rungs­me­cha­nis­men, hier man­gelt es am mo­ra­li­schen Kom­pass der Justizjuristen!

      Mit den Sicherungsmechanismen eines Rechtsstaats meine insbesondere ich eine Strafverteidigung, die diesen Namen auch verdient und nicht zur Verurteilungsbegleitung verkommt und darüber hinaus die Revisionsgerichte, die das Urteil auf Rechtsfehler hin nachprüfen. Dass dieses im Fall Mollath versagt hat, ist mit Sicherheit nicht auf ein „parteipolitisches Klüngel“ zurückzuführen, wie Sie es beschreiben.

      Es mag einige Fälle wie den von Mollath geben, trotzdem halte ich derartige Verallgemeinerungen der Situation für unzulässig.

      • @Strafakte.de:

        Die Zulässigkeit und den Grad der „Verallgemeinerung“ mal dahingestellt: Tatsache ist, dass ich vor meinen Erfahrungen in Franken derarte Zustände und Rechtsbrüche durch eine Justiz in Deutschland für nicht möglich gehalten hätte! Und in 15 Jahren Polizeidienst habe ich zuvor auch einiges erlebt.

        Nun ja, noch eine „Verallgemeinerung“: gerade die Pflichtverteidiger im genannten Justizbereich Franken fallen leider größtenteils in den Bereich „Verurteilungsbegleitung“. Wird im übrigen von den Anwälten selbst eingeräumt: man muss schließlich dauerhaft mit den Behörden zusammenarbeiten….

        Das parteipolitische Klüngel besteht vorrangig dort, wo die Weichen gestellt werden und Unrecht beginnt, ja. Dass sich die Richter hierbei auf den „Nack-Senat“ verlassen konnten, kommt dazu. Insoweit ergänzend: auch ein „Gesinnungs-Klüngel“ von Hardlinern, offenbar auch von der eigenen vermeintlichen Unantastbarkeit und „Grandiosität“ berauscht.

        (Dass das nicht für alle gilt und nicht die gesamte Justiz Franken verkommen ist, setze ich immer noch voraus….aber es wird mitgeschleppt).

        • Wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass in NRW sogar Solarverkäufer von der Justiz und dem NRW-Justizministerium mit dem Richterprivileg (!) (Art. 97 GG) verfassungswidrig straflos gestellt werden und darüber geheime Aktenseiten angelegt werden und der betroffene und geschädigte Bundesbürger dreimal ausgerechnet am 20.04.2008, 20.04.2009 und 20.04.2011 von der Justiz psychiatrisiert werden sollte, wird jeder (vielleicht) begreifen, dass der „Fall Mollath“ noch längst nicht die Spitze des „juristischen Gullydrecks“ in Deutschland gewesen ist.

  5. Eine Bitte an den Blogautor bezüglich des Forensikthemas: Psychiatriekritische Gruppen behaupten die Illegalität des 63 Stgb. Strate wollte bei einer Diskussion in der Uni Potsdam vor gut einem Jahr das Thema ausdrücklich aussparen(es wurden vor dem Eingang entsprechende Flyer verteilt): können Sie aus juristischer Sicht etwas dazu sagen?

  6. Hallo, Herr Peter Klein, Ihre Behauptung, Herr Mollarh habe sich gutachterlich nicht untersuchen lassen, entspricht nicht der Wahrheit. Pfäfflin Simmerl Dieckhof und nicht zuletzt Weingartner,(ob ich wohl den letzten Namen ganz richtig schreibe?)erstellten jedenfalls mit Erlaubnis von Herrn Mollath, ein Gutachten.

  7. Eines der größten Probleme, wenn man erst einmal in die Forensik eingewiesen wurde, sind die dort beschäftigten Pflegerinnen und Pfleger. Sehr oft Menschen, schlecht ausgebildet und mit ausreichend eigenen Problemen ausgestattet. Hier ein anschauliches Beispiel: Ich saß im Speiseraum. Im Türrahmen unterhielten sich zwei Patienten über einen Film vom Vorabend. Einer der beiden, ein Fan von Kungfu-Filmen, zeigt dem Anderen eine Art Kampfstellung aus dem Film. Nur er kann vom so genannten Stützpunkt gesehen werden. Zufällig wird er von einem der Pfleger gesehen, durch das Panzerglas jedoch nicht gehört. Dreimal täglich muss vom Pflegedienst ein kurzer Bericht über jeden Patienten in die so genannte „Kurve“ geschrieben werden, eine Mappe, die für jeden Patienten existiert. Nun sieht der Pfleger also den Patienten – vermeintlich in Kampfhaltung, hören kann er nichts. Er schreibt in die Kurve des Patienten, dieser hätte einen Mitpatienten bedroht. Das liest der Arzt und ordnet an, dass dem Patienten alle Lockerungen (Ausgang ins Gelände usw.) gestrichen werden. Der Versuch, den Irrtum aufzuklären, scheitert. Meine Aussage und die des „Bedrohten“ zählen nicht. Denn: Was in der „Kurve“ steht, das wird nicht korrigiert. Und das Personal irrt sich nicht.
    Dieser kleine Irrtum des Personals, das grundsätzlich nicht bereit ist, Fehler zuzugeben, hat dazu geführt, dass dieser Patient viele Jahre zusätzlich verloren hat. Denn da er sich im Recht fühlte, galt er als uneinsichtig. Weil er sich immer wieder mündlich beschwerte, galt er als aufsässig und renitent. Und weil er sich auch schriftlich beschwerte, wurde er als Querulant eingestuft. Und leider ist das kein Einzelfall. Patienten, die bereits vor ca. 6 Jahren hätten entlassen werden sollen, sind heute noch dort und in einer noch schwierigeren Situation als damals. Da sie keine Fürsprecher haben wie Mollath, werden sie wohl lebenslang dort bleiben. Und das aufgrund, wie im genannten Beispiel, der falschen Aussage eines Pflegers, der in die Forensik wechselte, weil er in seiner früheren beruf-lichen Tätigkeit als Alkoholiker und Schläger bekannt war und seinen Arbeitsplatz verloren hat. Dort merkte er schnell, welche Macht er über Menschen (Patienten) hat, und das nutzte er auch weidlich aus. Es handelt sich übrigens um die Forensik im BKH Lohr, von der ich noch viel mehr schreiben könnte.

  8. Ver­fas­sungs­recht­lich ga­ran­tierte, rechts­staat­li­che Grund­sätze wer­den in ei­ner den Tat­be­stand der Frei­heits­be­rau­bung er­fül­len­den Weise schlicht igno­riert. Frei­lich wird sich spä­ter als Zeuge nie­mand mehr daran er­in­nern.

    Wenn ich so etwas lese, frage ich mich immer: Wenn sich „niemand daran erinnert“ oder es „keine Beweise gibt“, wie stellt man denn dann definitiv fest, dass es so gewesen ist?

    • @Thomas Hochstein: Das lässt sich sehr ausführlich im Buch nachlesen. Ich muss mich in der Rezension auf eine Zusammenfassung beschränken.

      Einen Anhaltspunkt liefern die Ausführungen in OLG Mün­chen, Be­schl. v. 04.06.2014 – 3 Ws 656, 657/13 Kl.
      http://strate.net/de/dokumentation/Mollath-OLG-Muenchen-2014-06-04.pdf

      In diesem Zusammenhang will ich erwähnen, dass der 2. Strafsenat am OLG München eine von mir 2013 entworfene Ermittlungserzwingung sehr wohl für zulässig hielt, während der 3. Strafsenat die Zulässigkeit hier generell verneint.

    • @Thomas Hochstein:

      Wenn Sie das von Ihnen wiedergegebene Zitat richtig lesen, kommen Sie auch selber auf die Lösung:

      „als Zeugen“ erinnert sich niemand – damit sind offensichtlich die Verantwortlichen gemeint.

      Die Missetaten ergeben sich zwanglos aus den vorliegenden Akten…..

    • @Thomas Hochstein:

      Das erinnert mich an eine alte philosophische Frage, die ich bei den Simpsons gelernt habe: Wenn in einem Wald ein Baum umfällt und niemand ist da, der es hört – gibt es dann ein Geräusch? :-)

  9. Ohne das Buch gelesen zu haben: die Rezensionen zeigen mir,daß die Forensikkritik nicht in die Tiefe geht. Dafür wäre ein kritische Beleuchtung der Prognosekriterien nötig. Unter meinem Nick ist eine solche von mir lesbar.

  10. Interessant ist ja, daß sich hier in den Kommentaren vorrangig diejenigen zu Wort melden, die ihr eigenes Interesse in den Vordergrund stellen.
    Hoffen wir, daß es zu einer wirklichen Diskussion des Buches von RA Strate kommt, sobald es für alle verfügbar und gelesen ist!

  11. Ich frage mich folgendes: Wenn es nur darum ginge, zu kontrollieren ob der Gefangene noch lebt, gäbe es da nicht eine technische Lösung des Problems, die weniger belastend für ihn ist, wie z.B. Biometriesensoren? Jemanden den Schlaf zu entziehen verursacht bekanntlich ernsthafte körperliche und psychische Beschwerden. Wenn jemand man jemanden über Wochen oder Monate nicht richtig schlafen lässt, braucht man sich nicht wundern, wenn dieser irgendwann am Rad dreht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    • @Gert Postel: Lassen Sie sich gesagt sein: Es liegt nicht an Ihrer Tastatur, denn nur weil Sie das „ß“ nicht sehen – weil es da nicht aufgedruckt ist – heißt das nicht, dass es nicht trotzdem da wäre. Aber das ist jetzt vielleicht alles etwas viel für Sie.

  12. Ich finde Strate anmaßend. Aus der Retrospektive zu kritisieren ist einfach. Hätte er selbst Mollath seinerzeit betreut hätte er vermutlich dessen Unterbringung durchaus für sinnvoll erachtet. Was mir auch immer wieder aufstößt ist die Kritik daran, dass Psychiater ein Gutachten erstattet haben ohne mit Mollath zu sprechen oder ihn zu untersuchen. Was aber Fakt ist: Er wollte sich nicht untersuchen lassen. Man kann nicht einerseits auf dieses Recht pochen, sich dann aber andererseits darüber beschweren, dass die Psychiater ein Gutachten nach Akten und Erkenntnislage aus der Hauptverhandlung erstellen.

    • @Peter Klein:
      Doch natürlich kann man sich darüber beschweren, dass der Sachverständige dann contra lege artis trotzdem ein Gutachten abgibt.

      Er müsste dann eine Stellungnahme abgeben, die aufgrund der Aktenlage die Möglichkeit des Vorliegens einer psychischen Krankheit + evt. Gefährlichkeit darstellt.

      Die Sachverständigen haben aber „sicher“ festgestellt und dabei auch noch den Akteninhalt falsch wiedergegeben.

      Und zumindest das letztere hätte bei entsprechender Sorgfalt vermieden werden können.

      • @Max Mustermann: Nach herrschender Rechtsauffassung ist ein Aktengutachten zulässig,wenn der Angeklagte die Mitarbeit verweigert. Das finde ich dann durchaus okay,wenn man nicht die Psychiatrie und damit die Forensik gänzlich ablehnt.

        • @periklesmeier:

          Max Mustermann hat diese herr­schen­der Rechts­auf­fas­sung nicht in Frage gestellt, sondern darauf hingewiesen, daß die Aktengutachten insoweit grob fehlerhaft waren, als sie nicht auf ihren eingeschränkten Erkenntniswert hinwiesen. Dieser Fehler durchzog das gesamte Verfahren, angefangen bei dem „Zettelchen“ von Dr. Gabriele Krach vom BKH Erlangen.

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