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65 Zeugen ohne Erinnerung und ein kaputtes Mikrofon

Das mutmaßliche Fehlurteil Gustl Mollath bindet derzeit die öffentliche Aufmerksamkeit – und lässt dabei ein anderes Verfahren in Vergessenheit geraten: Den Mordfall Peggy.

Wie Gustl Mollath ist auch Ulvi K. in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Bayreuth untergebracht, allerdings bereits seit September 2001. Seine Verurteilung beruht auf einem haarsträubenden Indizienprozess und einem überaus zweifelhaftem Geständnis, wie Telepolis berichtet:

Das entscheidende Verhör ging damit los, dass die Polizei Ulvi K. erzählt hat, dass auf seinem Overall Blutspuren gefunden wurden. Die sollten von Peggy stammen. Das war aber frei erfunden. Gleichwohl hat Ulvi K. nicht sofort gestanden, sondern wie bei allen vorherigen Vernehmungen jede Schuld bestritten. Nach dem Ende des Verhörs, sollte er in die Psychiatrie zurück gebracht werden, weswegen sich sein Anwalt verabschiedete. Nachdem er gegangen war, soll es bei Ulvi K. zu einem Gesinnungswechsel gekommen sein und die Beamten brachten ihn wieder in die Verhörzelle. Bei dem dann folgenden Verhör hat er ein Geständnis abgelegt. Interessanterweise existiert davon aber kein Tonbandmitschnitt, sondern nur ein Gedächtnisprotokoll.
Das Mikrofon ging kaputt, so jedenfalls die offizielle Erklärung.

In diesem Gedächtnisprotokoll soll Ulvi K. viele Details genannt haben, so u.a. den kompletten Tatverlauf und wo die Leiche versteckt sei. Noch am selben Tag überprüfte dies die Polizei mit ihm vor Ort – allerdings ohne Erfolg. Es stellte sich schnell heraus, dass die Details – soweit sie überhaupt nachprüfbar waren – nicht stimmten.

Ein weiteres brisantes Detail: Ulvi soll auf einer Parkbank auf Peggy gewartet haben. Allerdings kann sich keiner von 65 Zeugen, die nach einem Schichtwechsel dort vorbeigingen, an diesen großen stämmigen Mann erinnern.

Auch wenn das Wiederaufnahmeverfahren seit April 2013 läuft, ist mit einer Freilassung nicht kurzfristig zu erwarten. Hoffentlich wird die Aufarbeitung der Verfahrensfehler die bayrische Justiz und Politik ebenso lange beschäftigen.

Nachtrag vom 05.07.2013: Die Staatsanwaltschaft wurde heute vom Landgericht Bayreuth aufgefordert bis Ende Oktober eine Stellungnahme zum Wiederaufnahmeantrag im Mordfall Peggy abzugeben.

Stellungnahme zur Wiederaufnahme bis Oktober